Familie Familie: Erfülltes Leben auch ohne Kind

Hamburg/gms. - Etwa die Hälfte aller kinderlosen Paare in Deutschland entscheidetsich bewusst gegen eigene Nachkommen, weiß Diplom-Soziologe HaraldRost vom Staatsinstitut für Familienforschung an der UniversitätBamberg. Dabei entschließen sich die wenigsten schon in jungen Jahrendagegen, Eltern zu sein. «Die meisten schieben den Zeitpunkt so weitheraus, bis es zu spät ist», sagt Rost. Die Gründe seien verschieden:Mal fehlt der richtige Partner, mal sehen Paare Kinder als störendfür die Beziehung an. Auch Angst vor dem Verlust von Unabhängigkeitoder vor den Anforderungen des Mutterseins können eine Rolle spielen.
Experten sind sich aber darin einig, dass vor allem die mangelndeVereinbarkeit von Familie und Beruf die Entscheidung beeinflusst. Ammeisten fällt das bei Akademikerinnen in höheren Positionen auf: 89Prozent haben keinen Nachwuchs. Und der Blick zu den europäischenNachbarn zeigt, dass die Geburtenrate dort höher liegt, woausreichend Krippen, Kindergärten und Hortplätze vorhanden sind. Dasist etwa in den skandinavischen Ländern und in Frankreich der Fall.In Frankreich etwa bleiben nur 15 Prozent der Frauen lebenslangkinderlos, weiß Professor Herwig Birg, Direktor des Instituts fürBevölkerungsforschung und Sozialpolitik der Universität Bielefeld.
«Sehnsucht nach einem Kind» hatte auch Stefanie Winter nacheigenen Worten nie. Bei ihrer Entscheidung spielte neben den Gefühlender Beruf eine wichtige Rolle: «Ich wollte mich nicht zerreißen»,sagt die Redakteurin aus Hamburg. Ihr Entschluss sähe anders aus,wenn die Gesellschaft eine gerechte Pflichtenteilung zwischen Mütternund Vätern ermöglichte. «Aber damit rechne ich zu meinen Lebzeitennicht mehr», sagt die 37-Jährige. Obwohl sie keinen eigenen Nachwuchshat, verzichtet sie nicht auf intensiven Kontakt zu Kindern:Regelmäßig verbringt sie zum Beispiel Urlaub mit ihrem Patensohn.
Bei dem Nein zum Kind ist sich Stefanie Winter mit ihrem Partnereinig, mit dem sie seit zehn Jahren zusammen ist. Die Übereinstimmungin dieser Frage sei wesentlich für das Gelingen einer Partnerschaft,weiß Professor Bernhard Strauß, Direktor des Instituts fürMedizinische Psychologie an der Universität Jena. Kinder gehörennicht zwangsläufig zu einem erfüllten Leben, hat er herausgefunden.Paare, die sich andere Lebensinhalte suchen, seien ebenso zufrieden.Das könne neben Beruf und Hobbys bedeuten, Freundschaften zu pflegenoder in Vereinen und humanitären Organisationen mitzuarbeiten.
In den Bereich der Spekulation verweist Strauß die These, einnicht vorhandener Kinderwunsch lasse auf unverarbeiteteKindheitserfahrungen schließen: «Die Entscheidung gegen eigenenNachwuchs ist nicht pathologisch.» Zwar würden Paare ohne Kinder vonihrem Umfeld immer noch «schief angeguckt». Als Makel wie noch in denachtziger Jahren werde Kinderlosigkeit allerdings nicht mehr gesehen.
Almut Pannbacker kann sich über negative Reaktionen aus demKollegen- oder Freundeskreis nicht beklagen. Dort gelten sie und ihrPartner als feste Größe. Seit 13 Jahren sind sie zusammen, teilengemeinsame Interessen wie Reisen und Tauchen. Dass Kinder etwa überDurststrecken in der Liebe hinweg helfen können, ist für Pannbackerein abwegiger Gedanke: «Kinder können eine Beziehung auch gefährden.»