1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Eschede-Katastrophe: Eschede-Katastrophe: Gutachter: Unglücksrad durch Verschleiß geborsten

Eschede-Katastrophe Eschede-Katastrophe: Gutachter: Unglücksrad durch Verschleiß geborsten

16.01.2003, 16:00
ICE-Opfersprecher Heinrich Löwen (r) steht am Mittwoch (15.01.2003) im Sitzungssaal des Landgerichts in Hannover, in dem der Eschede-Prozesses nach seiner Verlegung in die niedersächsische Landeshauptstadt fortgesetzt wird. Internationale Gutachter (M) sollen zur Ursache des Radreifenbruchs aussagen, der das Unglück auslöste. Die Strafkammer will von den Gutachtern wissen, ob der Radreifen nach dem Stand der Technik richtig konstruiert und dimensioniert war und ob er so lange hätte genutzt werden dürfen. Im Prozess müssen sich drei Ingenieure wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung verantworten. (Foto: dpa)
ICE-Opfersprecher Heinrich Löwen (r) steht am Mittwoch (15.01.2003) im Sitzungssaal des Landgerichts in Hannover, in dem der Eschede-Prozesses nach seiner Verlegung in die niedersächsische Landeshauptstadt fortgesetzt wird. Internationale Gutachter (M) sollen zur Ursache des Radreifenbruchs aussagen, der das Unglück auslöste. Die Strafkammer will von den Gutachtern wissen, ob der Radreifen nach dem Stand der Technik richtig konstruiert und dimensioniert war und ob er so lange hätte genutzt werden dürfen. Im Prozess müssen sich drei Ingenieure wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung verantworten. (Foto: dpa) dpa

Hannover/dpa. - Die ICE-Katastrophe von Eschede mit 101 Toten ist nach Ansicht eines Gutachters durch übermäßigen Verschleiß am Unglücksrad ausgelöst worden. Am Unfallort habe er sofort festgestellt, dass es sich um einen «Ermüdungsbruch» am Radreifen gehandelt habe, sagte Fraunhofer-Forscher Gerhard Fischer beim Prozess am Donnerstag in Hannover. Nach dem Bruch des Radreifens war der ICE 884 entgleist und an einer Brücke zerschellt.

Sicheres Indiz für einen Ermüdungsbruch sei das Erscheinungsbild der Risse im Radreifen, erläuterte Fischer. Wie bei «Jahresringen» sei am Abstand erkennbar, ob ein Riss schnell gewachsen sei oder nicht. «Dies war ein Ermüdungsriss, der ein langsames Wachsen aufwies.» Anhand von Skizzen erklärte Fischer die verschiedenen Belastungen, denen ein Rad auf gerader Strecke, in Kurven oder auf Weichen ausgesetzt ist.

Das Fraunhofer-Gutachten ist Grundlage der Vorwürfe gegen drei Ingenieure wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. Laut Anklage waren die Männer 1992 bei der Einführung des neuen Radsystems für Sicherheitskontrollen verantwortlich, die dem Stand der Technik nicht entsprachen. Das gummigefederte Rad sei der Belastung auf Dauer nicht gewachsen gewesen. Der Radreifen wurde nach Ansicht der Staatsanwaltschaft auch zu lange heruntergefahren, von 920 Millimeter auf 862 Millimeter. Nach dem Stand der Technik sei 880 Millimeter die äußerste Grenze gewesen.

Das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit in Darmstadt hatte das Rad im Auftrag der Staatsanwaltschaft untersucht, Berechnungen zur Belastung angestellt und nach der Bruchursache geforscht. Diesen Untersuchungen stehen Gegengutachten im Auftrag der Bahn gegenüber.

Die Verhandlung am Donnerstag war durch eine gereizte Atmosphäre gekennzeichnet. Staatsanwaltschaft und Verteidigung warfen sich gegenseitig sachfremde Fragestellung vor. Mehrfach kritisierten die Verteidiger scharf die Datengrundlage Fischers. Zeitweilig mahnte Richter Michael Dölp die Verfahrensbeteiligten zum ruhigeren Umgang.

Die Gutachter im Auftrag der Bahn, die in den kommenden Wochen zu Wort kommen, gehen davon aus, dass das gummigefederte Rad «dauerfest» konstruiert gewesen sei und die Kontrollen den damaligen Erkenntnissen entsprochen hätten. Fischers Aussage war Auftakt für die Vernehmung von 13 Gutachtern, darunter Eisenbahnwissenschaftler aus Schweden, Japan und Südafrika. Die auswärtige Strafkammer des Landgerichts Lüneburg hatte den Prozess in dieser Woche aus Raumnot von Celle nach Hannover verlegt. Das Verfahren wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt.