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Saarland Erschossener Polizist - „Es sind dunkle Tage für unser Land“

Ein Polizeieinsatz in Völklingen endet tödlich - nicht weit vom Revier entfernt. Viele Fragen sind noch offen. Die Ermittlungen laufen – und die Stadt trauert.

Von den dpa-Korrespondenten Aktualisiert: 22.08.2025, 16:15
Die Menschen in Völklingen legten Blumen und Kerzen bei der Polizei ab.
Die Menschen in Völklingen legten Blumen und Kerzen bei der Polizei ab. Christian Schultz/dpa

Völklingen - Nur wenige Hundert Meter liegen die Polizeiinspektion, die Tankstelle und der Ort der tödlichen Schüsse im saarländischen Völklingen auseinander. Nur wenige Hundert Meter liegen zwischen einem Raubüberfall und einem eskalierten Gerangel, bei dem ein Polizist getötet wird. Der 18-jährige Verdächtige flüchtet zunächst, wird kurz darauf von Polizisten angeschossen und verletzt.

Laut Oberstaatsanwalt Christian Nassiry läuft gegen den mutmaßlichen Täter ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts besonders schweren Raubes, des Mordes und des zweifachen versuchten Mordes. Der Haftbefehl sei erlassen worden.

Rehlinger: „Das Saarland trauert, wir alle trauern“

„Gestern und heute sind dunkle Tage für unser Land und unsere Polizei“, sagt Landesinnenminister Reinhold Jost (SPD). Man stehe „in Trauer, Fassungslosigkeit und Anteilnahme“ an der Seite der Angehörigen. Jemand habe zu ihm gesagt: „Das ist die schreckliche Seite des schönsten Berufs der Welt.“ Jost ist bei der Pressekonferenz den Tränen nahe. 

Auch Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) zeigt sich betroffen. „Das Saarland trauert, wir alle trauern“, sagt sie. Sie selbst sei tief betroffen. „Ein junger Polizist wurde mitten aus dem Leben gerissen – im Dienst“, sagt Rehlinger. „Es ist gestern schon ein furchtbarer Moment gewesen und nichts davon war heute Morgen besser zu ertragen.“ In der Staatskanzlei liege ein Kondolenzbuch aus.

Ermittlungen wegen Mordes und zweifachen versuchten Mordes

Blumen, Kerzen und Trauerbekundungen sind Zeugnis von dem, was nur wenige Stunden zuvor in der 40.000-Einwohner-Stadt passiert ist. Um etwa 18 Uhr wird die Polizei über einen Raubüberfall auf eine Tankstelle informiert. Ein 18-Jähriger soll mit einem Messer gedroht haben und dann mit Beute in dreistelliger Höhe geflüchtet sein. 

Drei Polizeibeamte verfolgten ihn, darunter ein Kommissaranwärter. Bei einem Gerangel habe der Tatverdächtige einem der Polizisten die Dienstwaffe entreißen können und mehrfach geschossen, heißt es. Wie und wem die Waffe entrissen wurde, könne man noch nicht sagen, so Landespolizeivizepräsidentin Natalie Grandjean. Der 34-jährige Polizist starb wenig später in einer Klinik. 

Der Tatverdächtige sei im Verlauf des Einsatzes zweimal am Körper getroffen worden, sagt Grandjean. Er befinde sich in medizinischer Versorgung. Über den in Deutschland geborenen Mann mit deutscher und türkischer Staatsangehörigkeit würden keine polizeilichen Erkenntnisse vorliegen. Das Messer des Verdächtigen sei sichergestellt worden. Oberstaatsanwalt Nassiry sagt, der 18-Jährigen sei auch eine Haarprobe entnommen worden, um einen Medikamenten- oder Drogeneinfluss zu überprüfen.

Getöteter hatte Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter

Landespolizeipräsident Thorsten Weiler, er kenne sowohl den getöteten Simon B. als auch seinen Vater. „Die saarländische Polizei durchlebt seit gestern eine ihrer dunkelsten Stunden. Wir sind alle zutiefst betroffen von den Ereignissen und in Gedanken bei Simon, bei seiner Familie, bei seinen Kolleginnen und Kollegen.“ Der Getötete habe eine Ehefrau, seine Kinder seien im Kindergarten- und Grundschulalter.

In der viertgrößten Stadt des Saarlandes wird am Tag nach der Tat getrauert. Vor der Tankstelle steht ein großer Blumenkranz mit weißen Rosen. An der Polizeidirektion in Völklingen stehen Dutzende weiße und rote Kerzen. Blumen sind an die Hauswand gelehnt, auf jeder Treppenstufe bis zur Eingangstür liegen in Plastik und Papier verpackte Blumen sowie brennende rote Trauerkerzen.

„Mich hat es tief getroffen“

Völklingens Oberbürgermeister Stephan Tautz (parteilos) spricht von einer sehr traurigen Stimmung in der Stadt. „Mich hat es tief getroffen. Ich glaube, alle Mitarbeiter hier im Rathaus hat es tief getroffen und alle Menschen in Völklingen“, sagt er. „Wir haben eine Stadt, die eigentlich in Harmonie lebt.“ 

Er habe bereits am Donnerstagabend eine Veranstaltung in der Stadt abgesagt und alles, was in städtischer Hand sei, an diesem Wochenende ebenfalls. Zudem seien die städtischen Fahrzeuge mit Trauerflor bestückt worden. „Das sind die kleinen Gesten“, sagt er. 

Dass der mutmaßliche Täter neben der deutschen auch die türkische Staatsangehörigkeit habe, darauf sei er bereits angesprochen worden, sagt Tautz. „Für mich ist das sehr schlimm, ich bin jemand, der multikulturell denkt“, erklärt er. „Wir haben über hundert verschiedene Nationalitäten in Völklingen.“ Das habe die ganze Zeit immer gut funktioniert. „Ich hoffe nicht, dass es hier umschlägt.“

Erinnerungen an Fall aus Kusel

Viele erinnert der Fall an den Tod einer Polizeianwärterin (24) und eines Polizeikommissars (29) Ende Januar 2022. Die beiden Saarländer waren bei einer nächtlichen Streife im pfälzischen Kusel, nur etwa 60 Kilometer von Völklingen entfernt, von einem Mann erschossen worden, der seine Jagdwilderei verdecken wollte. Der Täter war im Saarland festgenommen und später in der Pfalz zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt worden.