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Erotik Erotik: Glückshormone für ein längeres Leben

Von Heiko Lossie 05.07.2010, 13:28
«Tag des Kusses» (FOTO: DPA)
«Tag des Kusses» (FOTO: DPA) tmn

Bremen/Münster/dpa. - Liebende können schlecht ohne ihn, der Papst segnet mit ihm den Boden, Freunde vergeben ihn als Bussi und Sportler liebkosen mit ihm ihre Medaillen: Der Kuss kennt viele Formen. Doch woher das Ritual kommt, wie es sich verändert hat undwelche Geheimnisse in ihm stecken, wirft noch viele Fragen auf. Der «Internationale Tag des Kusses» diesen Dienstag (6.7.) bietet Anlass, dem Phänomen nachzuspüren. Klar ist: Der Kuss ist nicht nur ein Kuss.

«Heute haben wir nur noch den Begrüßungs-, den Abschieds- und den Liebeskuss», sagt die Volkskundlerin Christiane Cantauw aus Münster. Noch im Mittelalter habe der Kuss viel mehr Bedeutungen gehabt. «Er war fester Bestandteil im Rechtswesen», berichtet die Expertin. Der Kuss habe die Abhängigkeit zwischen Lehnsherren und Untergebenem besiegelt, indem der Belehnte das Schwert oder den Ring seines Herrn küsste. Das sei dann wie ein unterschriebener Vertrag gewesen. Auch der Verlobungskuss habe damals rechtlich bindende Wirkung gehabt.

«Früher küsste man viel mehr als heute», sagt Cantauw. So hättendie Christen öfter Küsse ausgetauscht - inzwischen sei das aufsakrale Gegenstände beschränkt, etwa auf das Kruzifix an Halsketten. Auch der kommunistische Bruderkuss gerate in Vergessenheit - damals zu Berühmtheit gelangt durch Erich Honecker und Leonid Breschnew. Dass der Kuss nie aussterbe, sei aber wohl klar, sagt Cantauw.

Kopfzerbrechen bereitet den Fachleuten jedoch die Geburtsstundedes Kusses. «Die Wurzel des Phänomens ist so alt wie die Menschheit selber», sagt Ingelore Ebberfeld. Die Sexualwissenschaftlerin aus Bremen erforscht die Geschichte des Kusses seit langem - und ihre Erklärung mutet recht animalisch an: «Die Vorfahren der Menschen haben sich bei Begegnungen gegenseitig am Hinterteil beschnüffelt und beleckt. Als aus den Vierbeinern aufrechtgehende Zweibeiner wurden, wanderte der Kuss gewissermaßen mit nach oben», erklärt Ebberfeld.

Der Kuss zwischen Liebenden sei auch heute noch der Schlüssel zur Sexualität. So «erschnüffelten» Männer, ob eine Frau ihren Eisprung habe oder schwanger sei - auch wenn das nur unbewusst registriert werde. Das Ritual der Lippenberührung sei die innigste Verbindung, die Menschen eingehen könnten. «Beim Küssen kann man nicht lügen, beim Sex sehr wohl», meint die Autorin mehrerer Bücher zum Thema.

Ebberfelds Erklärung des «Sich-Beschnüffelns» wendet sich gegendie These von Forschern, die den Kuss als ein Resultat der Brutpflege beschreiben. Ebberfeld hält dagegen, dass weder das Saugen an der Mutterbrust noch das Einflößen vorgekauter Nahrung mit dem Mund die sexuelle Sprengkraft eines Zungenkusses erklären könne. Die pure Wollust treibe ein Paar zum Küssen - und nicht eine bloße Bekundung liebevoller Zuneigung. «Die Wurzel des Küssens ist der Sex.»

Umfangreiche Grundlagenforschung zum erotischen Kuss leistetenForscher 2007 in den USA. Sie fanden große Unterschiede zwischenMännern und Frauen. So kann sich die Mehrheit der Männer Sex ohneKüssen vorstellen. Bei den Frauen halten das mehr als 80 Prozent fürunmöglich. Und die Bereitschaft, mit einem schlecht küssenden Partnerzu schlafen, ist bei den Männern dann auch etwa doppelt so hoch.

Die Forscher halten fest, dass die beiden Geschlechter mit demKüssen unterschiedliche Strategien verfolgen. Vereinfacht gesagtküssen Männer nur, um im Bett zu landen. Frauen jedoch nutzen denKuss wie eine feine Antenne. Das helfe ihnen anfangs bei der Wahl desrichtigen Partners. Doch auch während der Beziehung liefere ihnen dasKüssen unbewusst wichtige Angaben - etwa über die Treue des Mannes.

Ungeachtet solcher Feinheiten ist das Küssen einfach nur gesund.Der deutsche Verein der Kussfreunde betont, dass beim Knutschen vieleGlückshormone frei werden. Das Immunsystem werde mit jedem Schmatzerangekurbelt und Vielküsser hätten sogar eine höhere Lebenserwartung.