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Ermittlungen gegen Schäfer nach ICE-Unglück

28.04.2008, 13:18

Fulda/dpa. - Nach dem ICE-Unfall bei Fulda mit 19 Verletzten hat die Bundespolizei ein Strafverfahren gegen den Halter der Schafe eingeleitet. Es werde wegen des Verdachts des gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr ermittelt.

Das berichtete die Sprecherin der Bundespolizeidirektion in Koblenz, Helga Riedel. Die Ermittlungen konzentrierten sich auf die Frage, weshalb die Schafe auf die Gleise gelangen konnten. Routinemäßig werde aber auch untersucht, ob eine Weiche oder ein Signal ebenfalls Einfluss auf den Unfallhergang hatten. In dem Tunnel befinde sich eine Weiche.

Vor dem Unglück sei Zeugen zufolge bereits ein Zug aus Süden mit einem Schaf kollidiert. Diese Hinweise würden genauso überprüft wie die Frage, ob der Lokführer des ICE, der auf dem Weg von Hamburg nach München mit Tempo 220 in die Schafherde gerast und entgleist war, noch hätte gewarnt werden können. Es gebe aber noch keine gesicherten Erkenntnisse, sagte ein Sprecher der Bundespolizei in Koblenz.

Bahnchef Hartmut Mehdorn hat nach dem Unfall weitere Untersuchungen angekündigt. Die Tunneleingangssicherungen, die an sich sicher seien, würden noch einmal angesehen, sagte Mehdorn am Montag in Berlin. «Es darf nie wieder passieren, und dafür werden wir sorgen.» Das Unfall-Management am Ort habe funktioniert, auch wenn ein «verrückter» Vorfall wie eine Schafherde im Tunnel eigentlich kaum zu erwarten gewesen sei. «Gott sei Dank ist niemand schwer zu Schaden gekommen», sagte der Bahnchef. Die Tunnel und die Bahn seien grundsätzlich sicher.

Der Kasseler Verkehrswissenschaftler Helmut Holzapfel forderte eine bessere Sicherung von Eisenbahntunneln. «Genauso wie Weichen oder Brückenpfeiler sind Tunnel neuralgische Punkte. Und entsprechend muss man sie auch sichern, besser als bisher», sagte der Ingenieur und Professor in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. Sollte es sich bewahrheiten, dass in dem Unglückstunnel bei Fulda eine Weiche war, wäre das zudem «bedenklich»: «Ein Bild zeigt offensichtlich einen Weichenkörper. Weichen sind aber immer Schwachpunkte, gerade bei Hochgeschwindigkeit. So etwas in einen Tunnel zu bauen, könnte man fast als fahrlässig bezeichnen.»

Ein Sprecher der Deutschen Bahn erwiderte, dass sogenannte Überleitungsverbindungen nichts Außergewöhnliches seien. Die Strecke sei den Vorschriften nach gebaut worden. Eine komplette Einzäunung der Gleise lehnte aber auch Holzapfel ab: «Das macht man in Frankreich, weil auf den TGV-Strecken nichts anderes fährt. Die ICE werden aber auch mal umgeleitet und man kann nicht ganz Deutschland einzäunen.» Das Streckennetz der Deutschen Bahn beträgt 34 000 Kilometer.

Nach dem Unglück waren Arbeiter der Deutschen Bahn am Unfallort in Kalbach bei Fulda damit beschäftigt, mit Kranwagen die demolierten Waggons zu bergen. Wann Zugteile aus dem Tunnel gezogen werden könnten, sei noch unklar, sagte ein Sprecher der Deutschen Bahn. Der Sachschaden betrage «viele Millionen Euro». Die Strecke bleibe gesperrt. Die Fahrgäste müssten bei der Fahrt von Hamburg nach München noch viele Tage durch Umleitungen mit Verzögerungen von rund 30 Minuten rechnen.

Vier der 19 Verletzten befanden sich am Montag noch zur Behandlung in Fuldaer Krankenhäusern, wie das Landratsamt mitteilte. Der Schäfer, dem die Tiere gehören, wurde am Montag erneut von der Bundespolizei verhört. Einzelheiten wurden nicht bekannt. Die Schafherde, die am Samstag den Unfall verursacht hatte, muss nach Ansicht des hessischen Schafzüchterverbandes zu dem Tunnel getrieben worden sein. «Die Koppel war korrekt eingezäunt und noch dazu durch einen Bach vom Tunnel getrennt. Irgendetwas oder irgendjemand muss die Tiere aufgeschreckt haben», sagte die Verbands-Geschäftsführerin, Dagmar Rothhämel, der dpa. Als Beispiel nannte sie Hunde oder andere Tiere. «Vielleicht haben aber auch Menschen die Herde aufgeschreckt und auseinandergetrieben. Manche finden das witzig.»

Der Züchter der Herde, von der bei dem Unfall mindestens 20 Tiere getötet wurden, hatte nach Angaben des Schafzüchterverbandes bereits vor zehn Jahren eine Sicherung des Tunneleingangs beantragt. «Das muss kein langer Zaun sein. Es gibt speziell entwickelte Fänge, die Tiere umleiten und so den Tunneleingang sichern. Das richtet sich vor allem gegen Wildtiere, würde aber auch Schafe fernhalten», sagte Rothhämel. Der Antrag sei aber aus Kostengründen abgelehnt worden. «Verstanden haben wir das nicht. Diese Fänge sind nicht billig, aber die Kosten sind auch nicht so enorm, als das man so etwas nicht als sinnvoll bezeichnen könnte.»

Ein Bahnsprecher bestätigte Medien-Berichte, dass sich kurz vor dem Unfall ein Vorkommnis am Nordportal ereignet habe. Ein entgegenkommender Zug sei «mit etwas kollidiert». Ob es sich dabei bereits um ein Schaf gehandelt habe, ist den Angaben zufolge noch unklar. Dieser Vorfall sei aber gemeldet worden.