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Ende einer Ära? Ende einer Ära?: Die «Paris Bar» kämpft ums Überleben

30.11.2005, 08:16
Passanten laufen in Berlin am Ableger der «Paris Bar», «Le Bar du Paris Bar», vorbei (Foto: dpa)
Passanten laufen in Berlin am Ableger der «Paris Bar», «Le Bar du Paris Bar», vorbei (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Berlin/dpa. - Als die Sängerin Platz machensollte, weigerte sie sich und fauchte: «Who the fuck is GinaLollobrigida?» Das sind die Legenden, die sich um die «Paris Bar» inBerlin-Charlottenburg ranken. Nun ist sie in Finanznöten, hatInsolvenz angemeldet - und wieder einmal gibt es Nachrufe auf denWesten der Stadt.

Es geht um mehr als ein Restaurant. Berlin hatte in jüngster Zeiteinige Hiobsbotschaften zu verkraften: Erst soll der Bahnhof Zoo aufsAbstellgleis, Samsung will ein Werk schließen, die Deutsche Bahnzieht es nach Hamburg, und dann geht es auch noch einem derLieblingstreffs der Schönen, Reichen und manchmal Berühmten an denKragen. Das Echo und die Wehmut sind groß. «Wenn eine Stammkneipestirbt, dann stirbt ein Freund», klagt «Bild»-Kolumnist Franz JosefWagner. Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» unkt, dass im Westteildie Lichter ausgehen. Was nicht unbedingt stimmt: Am Donnerstagöffnet unter viel Tamtam der neue Nobelclub «Goya» amNollendorfplatz.

Aber zurück zur «Paris Bar»: Diese «ist aus Berlin nicht mehrwegzudenken», befindet Stammgast Udo Walz, der dort am liebsten einschönes Stück Fleisch mit Pommes und Sauce Béarnaise isst. DerFriseur hat wie viele Prominente eine zweite Lieblingsadresse imOsten: das «Borchardt». Besonders zur Berlinale oder zu Filmpremierenzieht es Promis wie Jack Nicholson an den Gendarmenmarkt zumSchnitzelessen. Für Walz ist das «Borchardt» etwas «internationaler»,aber in der Kantstraße ist sein «zweites Wohnzimmer».

An Konkurrenz aus Berlin-Mitte oder einem Mangel an Gästen liegtdie Misere der «Paris Bar» und der benachbarten Schwester «Le Bar duParis Bar» vermutlich nicht. An einem späten Freitagabend hat derBesucher schlechte Karten, wenn er nicht einen Tisch reserviert hat -es ist ein bisschen wie in einer Schickeria-Bar in München. Direkt amEingang steht Schauspieler Otto Sander, den eine Messingplakette amTresen als Stammgast ausweist, daneben seine Frau Monika Hansen. DieKellner sind der vielen Fragen müde: «Madame, es ist alles vollerGäste», lautet ihre knappe Auskunft. Der Laden läuft weiter.

Draußen leuchten in rot-grüner Neonschrift die Lettern der «ParisBar» in die graue Berliner Nacht. Drinnen hängt Zigarettenrauch überden Bistrotischen, dunklen Holzstühlen und lederbezogenen Sitzbänken.Die französische Speisekarte - Weinbergschnecken, Muscheln undBlutwurst - ist Nebensache. In die «Paris Bar» geht man zum Leutetreffen und zum Kontakte knüpfen. Manchmal kann man aus denAugenwinkeln auf Prominente wie Hannelore Elsner, Bernd Eichingeroder Sabine Christiansen schielen.

Vom Flair her erinnert die Bar an ein in die Jahre gekommenesWohnzimmer. Bis unter die Decke türmen sich neben Schnappschüssen vonGästen jede Menge Kitsch und Kunst. An einem Platz speist der Gastunter einem Foto von Larry Clarke, das ein Paar beim Sex zeigt. Imanderen Flügel des Restaurants hängt eine kleine Tafel, derenAufschrift auf einmal aktuell wirkt: «Wann ist Schluss?»

Wenn es nach dem Betreiber geht, noch lange nicht. Derzeit brütetder vorläufige Insolvenzverwalter Udo Feser über den Unterlagen undversucht herauszufinden, wo die Fehler liegen. Bei einerBetriebsprüfung seien dem Finanzamt Unstimmigkeiten aufgefallen,berichtet der Anwalt. Nun soll verhindert werden, dass die Barschließen muss. «Ziel ist die Unterstützung der Sanierung», erläutertFeser. Wie das genau funktionieren soll, ist noch offen. Die 46Mitarbeiter bekommen laut Feser «natürlich» weiter ihr Geld. WirtMichel Würthle kann sich über jede Menge Unterstützer freuen, wie ersagt. «Das tut mir gut.» In der Zeitung «B.Z.» bekundete jüngst Boxerund Würthle-Freund Wladimir Klitschko: «Jedes verkaufte Steak zähltjetzt als Treffer.»