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Weniger Bürger, andere Sitten Einkehr auf dem Land schwieriger - Dorfgasthäuser schließen

Weniger Schweinebraten, mehr Pizza zum Mitnehmen: Wird das Dorfgasthaus in Brandenburg zum Auslaufmodell? Was der Leerstand mit dem Lebensstil zu tun hat - und laut Branche auch mit dem Verkehr.

Von dpa 07.08.2025, 06:00
Ein Landgasthof im Spreewald. Bei schönem Wetter gut besucht. Anderswo in Brandenburg sucht man einen solchen Ort vergeblich. (Archivfoto)
Ein Landgasthof im Spreewald. Bei schönem Wetter gut besucht. Anderswo in Brandenburg sucht man einen solchen Ort vergeblich. (Archivfoto) Frank Hammerschmidt/dpa

Potsdam - Ist der klassische Dorfgasthof nicht mehr gefragt? Manchmal bleibt nur die Pizza zum Mitnehmen übrig, weil Gaststätten schließen. Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) beklagt ein Ausdünnen der Gastronomie auf dem Land, setzt angesichts des wirtschaftlichen Drucks in der Branche auch auf neue Angebote. 

„Es erreichen uns hier und da Klagen von Touristen, die sagen, ich habe eine schöne Ferienwohnung in Brandenburg, aber rundherum gibt es keine Gastronomie“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Dehoga Brandenburg, Olaf Lücke, der Deutschen Presse-Agentur. Wer auf Radwegen unterwegs sei, finde eben manchmal über mehrere Kilometer kein Lokal zum Einkehren mehr. 

Die Zahl der gastronomischen Betriebe insgesamt ging von 2010 bis 2023 von 4.101 auf 3.697 zurück, wie aus Zahlen des Wirtschaftsministeriums hervorgeht. Besonders stark ist der Rückgang laut Statistik im Bereich der Schankwirtschaften, zu denen etwa Kneipen gehören: Hier gab es ein Minus von 32 Prozent. Bei den Selbstbedienungsangeboten gab es dagegen ein Plus.

Die CDU im Landtag in Potsdam hatte sich besorgt geäußert: „Gerade in einer Zeit, in der die Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet, müssen diese Orte der Begegnung und des Zusammenhalts unbedingt erhalten bleiben.“

„Öffentliche Wohnzimmer“ werden weiter gebraucht

 „Man braucht diese öffentlichen Wohnzimmer, das ist ein Stück Lebenskultur“, sagte auch Dehoga-Hauptgeschäftsführer Lücke zur Bedeutung von Dorfgaststätten als Treffpunkt. Aber die Trink- und Verzehrgewohnheiten hätten sich insgesamt geändert. Früher seien Probleme am Stammtisch besprochen worden, heute werde der Grill zu Hause angeworfen. 

Mehr als Schweinebraten auf der Speisekarte?

Viele junge Leute gingen nicht mehr ins Gasthaus, weil sie teils andere gastronomische Angebote und Abwechslung auf der Speisekarte wollten. Es werde eben nicht mehr jede Woche der „Schweinebraten“ bestellt, meinte Lücke. Zudem mache sich der Rückgang der Bevölkerung auf dem Land bemerkbar. 

Lücke nennt aber auch „schlechte Bahn- und Busverbindungen“ als einen Grund dafür, dass weniger Gäste am Dorfgasthof vorbeikämen. „Überfüllte Busse und Züge tut sich ja keiner mehr an“, meinte er noch. 

„Der Gast behält das Geld in der Tasche“

Zudem belasten nach Angaben der Branchenverbände hohe Energie- und Personalkosten die Gastronomie. Wo früher Hochzeiten, Vereinsfeste oder Dorftreffen stattfanden, bleibt heute der große Raum schon mal dunkel. Mancher Landgasthof mache seinen Saal nicht mehr auf, weil es zu teuer sei, ihn zu heizen, meinte Lücke. 

Die Kunden schauten beim Ausgehen auch weiterhin auf den Geldbeutel, so Lücke. „Der Gast behält das Geld in der Tasche.“ Es werde eben aufs Dessert und auch das zweite Getränk verzichtet. 

Aufruf zu Alternativen 

Der Dehoga will sich mit der Lage der Gaststätten auf dem Land befassen und auch nach Alternativen in der Gastronomie suchen. Lücke spricht von „Multifunktionsangeboten“. Gastronomen könnten etwa einen kleinen Laden oder Versandshop mitbetreiben. 

Kann die Mehrwertsteuer-Senkung künftig eine Entlastung in der Branche bringen? Die Bundesregierung senkt die Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie zum 1. Januar 2026 dauerhaft von 19 auf 7 Prozent. 

Ein Steuergeschenk sei das nicht, sondern nur gerecht, so Lücke, der auch auf die Lohnsteigerungen im kommenden Jahr verweist. Zudem gilt für Gerichte, die geliefert werden, schon bisher der 7-Prozent-Satz, sowie auch für Imbisse ohne Sitzplätze. Wird die Reduzierung der Mehrwertsteuer an die Kunden weitergegeben? „Wenn ein Gastronom Spielräume hat, wird es das selber entscheiden.“ 

Gastwirte und Hoteliers in Deutschland hatten im Mai kalender- und saisonbereinigt 2,2 Prozent weniger Erlöse in ihren Kassen als im Monat zuvor, wie das Statistische Bundesamt im Juli berichtete. Abzüglich der Preiserhöhungen ergibt sich sogar ein realer Umsatzverlust von 4,6 Prozent.