DDR-Geschichte DDR-Geschichte: «Sonderzug nach Pankow» war in Discos verboten
Erfurt/Apolda/dpa. - Auf einem Dachboden in Apolda bei Jena hat ein 49-Jährigernun ein hektographiertes Schreiben des damaligen Rates des Kreisesvom 14. Februar 1983 entdeckt. Die «Bild»-Zeitung veröffentlichte amMittwoch den Brief, der an alle Amateurtanzkapellen gegangen ist. DieVerfügung bestand nur aus dem einzigen Satz: «Ich gebe ihnen zurKenntnis, daß bei Tanzveranstaltungen das Spielen des Titels"Sonderzug nach Pankow" nicht gestattet ist.» Die Behörde für Stasi-Unterlagen wertete dies als historischen Fund. Rock-LegendeLindenberg sagte: «Ja, ich war damals ein anerkannter Staatsfeind».
Lutz Gundlach, damals als Discjockey in den Tanzsälen des KreisesApolda unterwegs, hat sie aufbewahrt und kürzlich zufällig beimAufräumen wieder entdeckt. «Das war ein sogenannter Ormig-Abzug, dieKopie eines Originalschreibens, die an die Discjockeys undAmateurmusiker im Kreis rausgegangen ist.» Unterzeichnet hat sieManfred Lüttig. Der heutige Rentner war von 1972 bis zum Ende der DDRRatsmitglied für Kultur im Kreis Apolda.
«Die Anweisung dafür kam wohl von der übergeordneten staatlichenStelle, das war der Rat des Bezirkes Erfurt», erinnert er sich.Lüttig vermutet, dass dabei das SED-Politbüro seine Hand im Spielhatte. «Wahrscheinlich sogar Erich Honecker selbst.» Als unterstesGlied in der DDR-Macht-Hierarchie habe ein «kleines Ratsmitglied soetwas nur weitergegeben».
Lutz Gundlach hält das interessante Zeitdokument nicht für einenEinzelfall. «So etwas haben alle DJs in der DDR bekommen.» Eigentlichhabe es einer ausdrücklichen Anweisung aber gar nicht bedurft,erklärte der Endvierziger, der heute als freiberuflicher Clown seinenLebensunterhalt verdient. «Als Discjockey durfte man sowieso nuroffiziell lizenzierte Titel spielen.» Für die Lizenzierung war in derDDR die Anstalt zur Wahrung der Rechte für die Musik zuständig.
Der DDR-Rundfunksender DT 64 spielte die lizenzierten Titel fürdie DJs zum Mitschneiden ab. Gundlach: «Und der 'Sonderzug' war nichtlizenziert, also war der Fall klar: verboten.» Wer seinen Status alsDiscjockey nicht riskieren wollte, habe sich auch daran gehalten.«Mir hat einmal einer 20 Mark aufs Pult gelegt, damit ich den'Sonderzug' spiele - aber ich hab's nicht gemacht. Und ich kenne auchkeinen, der den Song gespielt hat.»