Verkauf per Rezept Cannabis in Apotheken: Bayern an der Spitze, NRW Zweiter

Köln - Lange Zeit gab es aus politischen, ideologischen und, wie unterstellt wird, ökonomische Hinderungsgründe, Medizinal-Cannabis auf Kassenrezept in Apotheken zu verkaufen. Zu sehr haftet Haschisch und Marihuana der schlechte Ruf einer illegalen Rauschdroge an. Politisch kam Widerstand vor allem aus den Reihen der Union, manche vermuteten schließlich Widerstand in der Pharmaindustrie, die sich eine wirtschaftliche Konkurrenz vom Hals halten wolle.
Wie so oft hinken Politik und Gesetzgeber jedoch gesellschaftlichen Entwicklungen hinterher. Beleg: Schon im Lauf dieses Jahres sind die Lizenz-Anträge in Apotheken zum Verkauf von Medizinal-Cannabis in die Höhe gegangen. Waren es 2011 bundesweit nur 32 Apotheken, 2012 bereits 45, im folgenden Jahr 76 und 2014 107. In den Jahren 2015 und 2016 explodierte die Zahl geradezu – 622 Anträge sind es allein 2016 bis August gewesen. Die meisten Anträge wurden übrigens in Bayern gestellt (167), gefolgt von Nordrhein-Westfalen (125) und Baden-Württemberg (94). Hierzu ist eine eine Sondergenehmigung vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nötig, die sogenannte Apothekenerlaubnis.
2016 schon 233 Kilo verlauft
Zwangsläufig ging auch die Menge des verkauften medizinisches Cannabis in die Höhe. Wurden 2015 noch 44 Kilogramm von den insgesamt fünf verschiedenen Sorten an Cannabis-Blüten und Extrakten abgegeben, waren es in den ersten sechs Monaten dieses Jahres bundesweit rund 233 Kilogramm. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion.
62 Diagnosen
Ärzte sollen ihren Patienten Cannabis-Blüten und -Extrakte verschreiben können, wenn herkömmliche Schmerzmittel nicht helfen. Bislang wird medizinisches Cannabis nur sehr selten mit Ausnahmegenehmigung des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte abgegeben, meist an Menschen mit Krebs oder Multipler Sklerose. (www.alternative drogenpolitik.de aktuelle Liste mit allen 62 Diagnosen oder dutscher-hanfverband.de) bei denen bisher eine Ausnahmegenehmigung erteilt wurde.
Derzeit verfügen laut Bfarm bundesweit insgesamt 900 Patienten über solch eine Ausnahmeerlaubnis (Stand 12.09.2016).
Das neue Gesetz, das die Bundesregierung bereit Anfang 2015 angekündigt hatte, wurde vor allem von den Oppositionsfraktionen der Grünen und Linken mehrfach angemahnt, immer wieder mit Hinweis auf das Leid der Patienten und den Erfolg einer Behandlung durch Cannabis. Die fünf häufigsten Diagnosen, wegen denen deutsche Patienten eine Ausnahmegenehmigung zum Kauf und Besitz von medizinischem Cannabis erhalten, sind chronische Schmerzen, Multiple Sklerose, ADHS, Tourette-Syndrom und depressive Störungen. Theoretisch kann auch wegen jeder anderen Diagnose eine Ausnahmegenehmigung erfolgen, sofern der behandelnde Arzt dies unterstützt und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte dem Antrag zustimmt.
Heikles Thema Eigenanbau
Noch heikler als der Verkauf in Apotheken ist der Eigenanbau von Cannabis zur eigenen Therapie. Das Verwaltungsgericht Köln hatte im Juli 2014 drei schwerkranken Menschen den Anbau von Cannabis zugestanden. Das BfArM als Genehmigungsbehörde argumentierte mit den großen Gefahren, die von derart großen schlecht gesicherten Betäubungsmittelvorräten in Privatwohnungen ausgingen. Außerdem sei das Cannabis aus Eigenanbau mitunter von "zweifelhafter Qualität" Dass den Patienten Cannabis helfe, stehe allerdings außer Frage. Im April nun sorgte ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig für Aufsehen. Die Richter entschieden rechtskräftig, dass der Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmeerlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zur ärztlich begleiteten Selbsttherapie hat. Der Mann hatte auch argumentiert, dass sich die Kosten für herkömmliche Medikamente aus der Apotheke auf 1500 Euro im Monat beliefen. Nach Klärung noch offener Fragen hat das BfArM nun dem Antragsteller eine entsprechende Ausnahmeerlaubnis erteilt. Es werden die ersten Hanfpflanzen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sein, die legal zur Versorgung von Patienten angebaut werden.
Die Genehmigung ist bis zum 30. Juni 2017 befristet. Offenbar will die Bundesregierung sie zurückziehen, wenn bei dem Patienten kein Notstand mehr gegeben ist. Sollte im nächsten Jahr die die Kostenübernahme von Hanfblüten durch die Krankenkassen bei schwerwiegenden Erkrankungen abgesegnet werden, sei ein „Eigenanbau von Cannabis zur Selbsttherapie (…) dann nicht mehr erforderlich.
Eher wie ein Staatsgeheimnis werden Informationen zurückgehalten, wie und wo der Anbau von Hanfpflanzen in lizenzierten Anlagen erfolgen soll. Da ist dann doch noch die Angst zu groß, die Anlagen könnten zum Mekka der ganz normalen Kiffer werden.