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Bundesliga Bundesliga: Günter Mast brachte Werbung auf die Trikots

Von Raimund Witkop 04.03.2011, 11:54
Am laufenden Band werden rund 12.000 1,75 Liter Flaschen (täglich) im Stammwerk der Mast-Jägermeister AG in Wolfenbüttel abgefüllt. (FOTO: ARCHIV/DPA)
Am laufenden Band werden rund 12.000 1,75 Liter Flaschen (täglich) im Stammwerk der Mast-Jägermeister AG in Wolfenbüttel abgefüllt. (FOTO: ARCHIV/DPA) dpa

Hamburg/dapd. - Wenn der Ruheständler Günter Mast die Geschichtevom Hirsch auf der Brust erzählte - und das tat er oft und gern -, dann klang sie wie ein bürokratischer Schildbürgerstreich: Als der Schiedsrichter Walter Eschweiler mit dem Zentimetermaß in die Umkleide-Kabine kam, es war der 27. Januar 1973....

Die Trikot-Werbung im deutschen Profisport eingeführt zu haben,sichert Mast einen dauernden Platz in der Fußball-Geschichte, aberauch in den Lehrbüchern für Marketing. Was der Chef der LikörfirmaJägermeister damals tat, war seiner Zeit weit voraus und schlägteine Brücke zur provokanten Werbung der 80er-Jahre und zum«Guerilla-Marketing» von heute.

Der 1926 geborene Günter Mast war 1952 in die Firma seines OnkelsCurt Mast eingetreten und bestimmte bis in die 90er-Jahre dieGeschicke des Unternehmens, ohne je Anteilseigner zu sein. Amvergangenen Montag starb Günter Mast im Alter von 84 Jahren an denFolgen eines Schlaganfalls in Bad Bevensen.

Sein «tollster Werbe-Gag in 46 Jahren» war tatsächlich eineungeheure Provokation - nicht nur der Fußball-Welt, sondern derGesellschaft. Der Bundesliga-Klub Eintracht Braunschweig brauchtedringend Geld in jener Saison 1972/73, und Mast wollte dieBekanntheit der Marke Jägermeister steigern.

Das gelang mit einem Trick, den man wohl bauernschlau nennendarf. Der Löwe aus dem Vereinsemblem solle durch einen Hirschenersetzt werden, teilte der damalige Eintracht-Präsident BalduinFricke dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) in Frankfurt am Main mit.Dort schaute niemand genauer hin, und Mast konnte sich die Händereiben: der Verein aus der stolzen Stadt Heinrichs des Löwen würdefortan den «Hubertus-Hirsch» spazieren tragen, der dieKräuterlikör-Flaschen aus dem nahen Wolfenbüttel ziert.

Als der DFB die Absicht erkannte, waren schon Fakten geschaffen.Braunschweig lief zum Spiel gegen Offenbach mit Hirsch auf, andereTrikots waren angeblich nicht zur Hand. Die folgenden juristischenAuseinandersetzungen erfüllten Masts Wunsch nach Bekanntheit ineinem Ausmaß, das die 300.000 Mark pro Saison zu einer brillantenInvestition machte. Das 20-fache, brüstete sich der findigeFabrikant oft, hätten ihn Werbung und Anzeigen gekostet, um dengleichen Effekt zu erzielen.

Dass die Schiedsrichter mit Maßband in der Kabine anrückten, umdas vom DFB nachträglich festgesetzte Höchstmaß von 14 Zentimeternzu überprüfen, machte die Sache für ihn nur besser: Jede Publicitywar willkommen. Und die Tatsache, dass der Hirsch die erlaubte Größeum vier Zentimeter überragte, konnte den Marketing-Coup auch nichtmehr aufhalten. Erst später kam der Jägermeister-Schriftzug auf demBraunschweiger Trikot dazu.

Zwtl: Bis zu 30 Millionen für die Brust eines Bundesligisten

Kein Wunder, dass die anderen Profivereine schnell nachzogen unddamit die Liga - so sahen es konservative Hüter der sportlichenOrdnung - zu einer Reklame-Kirmes ohne Scham und Anstand machten.Heute ist die «Brust» von Bayern München etwa 30 Millionen Euro proSaison wert.

Die kreative Energie des Marketing-Genies Günter Mast war damitkeineswegs erschöpft. Mit der lang laufenden Anzeigen-Kampagne «Ichtrinke Jägermeister, weil...» schuf er sich eine Spielwiese, um mitaktuellen Bezügen möglichst oft anzuecken.

1978 holte er den Weltstar Paul Breitner von Real Madrid zurückin die Bundesliga, Bayern München und der HSV hatten gegenüber demProvinzklub Eintracht Braunschweig das Nachsehen. Sportlich ging dasExperiment schief, an Aufmerksamkeit fehlte es erneut nicht.

Ebenso bei Masts letztem, diesmal gescheiterten Umsturzversuch imSport: 1983 schlug er - im Gegenzug zur kompletten Entschuldung -die Umbenennung des Vereins in «Jägermeister Braunschweig» vor. Die Mitglieder stimmten (notgedrungen) zu und wählten Mast zumPräsidenten, doch Verbände und Gerichte verteidigten - bis heute - diese letzte Bastion.

Schnapsproduzent Günter Mast in Berlin zu Gast bei «Talk im Turm». Der ehemalige Jägermeister-Chef Günter Mast ist im Alter von 84 Jahren gestorben. (FOTO: ARCHIV/DPA)
Schnapsproduzent Günter Mast in Berlin zu Gast bei «Talk im Turm». Der ehemalige Jägermeister-Chef Günter Mast ist im Alter von 84 Jahren gestorben. (FOTO: ARCHIV/DPA)
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