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Bruchlandung in Irkutsk Bruchlandung in Irkutsk: Tod und Überleben auf Flug Sibir-778

Von Friedemann Kohler 09.07.2006, 12:49

Moskau/dpa. - Bei schlechtem Wetter schoss die Maschine vom TypAirbus A-310 mit etwa 200 Menschen an Bord über die nasse Landebahnder Stadt Irkutsk hinaus. Sie prallte in eine Reihe von Garagen undging in Flammen auf. Retter vermuteten zunächst über 150 Tote aufFlug 778 Moskau-Irkutsk von Russlands zweitgrößter Fluglinie Sibir.Am Sonntagabend wurde noch von 122 bis 124 toten gesprochen.

Erst nach Stunden gewannen die Behörden einen Überblick, wie vieleMenschen lebend aus dem brennenden Wrack gerettet worden waren.56 Überlebende lagen verletzt in Kliniken von Irkutsk, wie auch einejunge Frau aus Stuttgart. Sie sei «in stabilem Zustand», teilte dasdeutsche Generalkonsulat in Nowosibirsk mit. Sibir erklärte, dasszwei von drei Deutschen an Bord überlebt hätten. Elf Menschen bliebennach Zivilschutzangaben unverletzt.

Der 5000 Kilometer lange Flug von Moskau nach Ostsibirien in dieNähe des Baikalsees war völlig problemlos verlaufen. «Wir waren schonnormal gelandet. Doch beim Bremsen beschleunigte das Flugzeug aufeinmal wieder wie zum Start», schilderte die Überlebende MargaritaSwetlowa dem örtlichen Sender Baikal-TV das Unglück. Dann habe dieTragfläche sich in einem Zaun verfangen. Ein Brand brach aus. Nachkurzer Ohnmacht sei sie aus dem Flugzeug gesprungen.

Zehn Passagiere und zwei Stewardessen hätten sich selbst gerettet,sagten Feuerwehrleute. Bilder zeigten, wie das Leitwerk mit dem weiß-blauen Schriftzug «Sibir» hoch über Autos und zerstörte Garagenhinausragte. Die Flammen konnten erst nach drei Stunden gelöschtwerden. Die Flugschreiber wurden gefunden.

«Das Flugzeug kam von der Landebahn des Flughafens Irkutsk ab, dienach Regenfällen nass war», sagte Verkehrsminister Igor Lewitin. «Wirmüssen das Fahrwerk und alle Systeme des Flugzeugs überprüfen.» DieStaatsanwaltschaft schloss weder technisches Versagen noch einenPilotenfehler aus. Ein Terroranschlag sei unwahrscheinlich, hieß es.

Noch Stunden nach dem Unglück gab es widersprüchliche Zahlen.Sibir teilte in Moskau mit, dass 200 Menschen auf dem Flug S7-778nach Irkutsk gewesen seien - 192 Passagiere und acht Mann Besatzung.Der Startflughafen Domodedowo sprach von 203 Menschen an Bord desAirbus. Nach Angaben des Herstellers war die Maschine mit 220Sitzplätzen 1987 ausgeliefert worden und hatte auf über 10 000 Flügenmehr als 52 000 Flugstunden absolviert.

Während in Irkutsk und Moskau die Familien der Fluggäste bangten,veröffentlichte Sibir eine Passagierliste, die bald auch im Internetstand. Insgesamt seien 12 Ausländer aus Deutschland, China, Polen,Aserbaidschan und Weißrussland an Bord gewesen. Zu den Fluggästenzählten auch 14 Kinder.

Beim letzten schweren Flugzeugunglück in Russland waren am 3. Mai113 Menschen ums Leben gekommen, als ein Airbus A-320 der armenischenFluggesellschaft Armavia vor dem Ferienort Sotschi ins Schwarze Meerstürzte. Sibir hat in den vergangenen Jahren zwei Flugzeuge ohneeigene Schuld verloren. Im Oktober 2001 schoss die Luftwaffe derUkraine bei einer Übung versehentlich eine Sibir-Maschine über demSchwarzen Meer ab. Keiner der 78 Menschen an Bord überlebte. ImAugust 2004 riss eine tschetschenische Selbstmordattentäterin aufeinem Sibir-Nachtflug von Moskau nach Sotschi 46 Menschen in den Tod.