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Brauchtum Brauchtum: Muttertag ist keine Erfindung der Blumenindustrie

Von Gabriele Chwallek 11.05.2007, 08:04
Ein Herz mit der Aufschrift «Alles Liebe zum Muttertag» steckt im Blumenpavillon Pöseldorf in Hamburg zwischen weißen Rosen. (Foto: dpa)
Ein Herz mit der Aufschrift «Alles Liebe zum Muttertag» steckt im Blumenpavillon Pöseldorf in Hamburg zwischen weißen Rosen. (Foto: dpa) dpa

Washington/dpa. - Heute feiern Menschen invielen Teilen der Welt an einem Tag im Jahr die Frau, die ihnen dasLeben schenkte, sie pflegte und umhegte - von Deutschland bis China,von Russland bis Brasilien, von Australien bis Ägypten. Am 13. Maiist in Deutschland Muttertag.

Abermillionen Menschen ist die Tradition lieb und teuer, imwahrsten Sinne des Wortes: Denn lassen auch viele immer nochhauptsächlich Blumen sprechen, so hat der Kommerz den Muttertag dochfast überall fest im Griff. Von der Küchenmaschine über Parfüm undNachtwäsche bis zum Diamanthalsband: So hatte sich Anna Jarvis dieEhrung der Mütter auf der Welt nicht vorgestellt, als sie am 9. Mai1907 ihre Nelken verteilte - die Geburtsstunde des Muttertages.

Nicht, dass Anna wirklich die erste gewesen wäre, die glaubte,dass Mütter es verdienen, wenigstens einmal im Jahr gewürdigt zuwerden. Schon die alten Römer und Griechen widmeten den Müttern ihrerGötter Festivitäten. Und England hatte im 16. Jahrhundert seinen«Mothering Day», einen Tag im Jahr, an dem Menschen in ihreHeimatkirche, die «Mutter Kirche» strömten - oftmals die einzigeGelegenheit für Familien zusammenzukommen. Auch Napoleon schlug 1806die Einführung eines Muttertages vor, fand dann aber vor Waterloowohl nicht die Zeit, das umzusetzen. Gut 60 Jahre später nahm sichdie US-Pazifistin und Frauenrechtlerin Julia Ward der Sache an, aufihre eigene Weise mit einer «Muttertags-Proklamation», einemglühenden Aufruf an Frauen, sich im Einsatz für Frieden zu vereinen.

Am Ende war es Anna Jarvis, die den Muttertag aus der Taufe hob,aus einer persönlichen Geste eine weltweite Bewegung machte. Zornigund traurig erlebte die Amerikanerin aber auch selbst noch mit, wieihre Idee in Münze umgeschlagen wurde - in den USA etwa mit Ausgabenfür Geschenke, wie sie nur noch zu Weihnachten übertroffen werden.Schließlich wurde die «Mutter des Muttertages» selbst zur Gegnerindes Tages, den sie initiiert hatte. Sie setzte sich für eineAbschaffung ein - vergeblich.

So werden auch diesmal wieder neben Liebesbekundungen undVerwöhnaktionen wie Frühstück im Bett die Kassen klingeln. Der US-Verbraucher etwa wird nach Schätzungen der NationalenEinzelhandelsvereinigung durchschnittlich 139 Dollar (etwa 101 Euro)ausgeben, um Mutter eine Freude zu bereiten. Das ist bei rund 80,5Millionen US-Müttern ein Riesenumsatz.

Anna Jarvis aus Philadelphia sagte es nur durch die Blume. IhreMutter Ann Jarvis war eine überaus engagierte Frau, die imBürgerkrieg Geschlechtsgenossinnen mobilisierte, um für eineVerbesserung der sanitären Lage zu arbeiten. Nach ihrem Tod 1905 sannTochter Anna über Wege nach, das Werk ihrer geliebten Mutter zuehren. Als sich der Todestag zum zweiten Mal jährte, stand sie voreiner Kirche in Grafton (West Virginia), der Heimatgemeinde derGestorbenen, und teilte 500 weiße Nelken, die Lieblingsblume ihrerMutter, an andere Mütter aus. Ein Jahr später wurde auf Drängen vonAnna in derselben Kirche den Müttern erstmals eine Andacht gewidmet.Nur ein Jahr später gab es Feiern in 45 US-Staaten.

Anna Jarvis widmet sich nun vollberuflich dem Ziel, einenoffiziellen Muttertag zu schaffen. Sie schreibt Briefe über Briefe anPolitiker, Geschäftsleute, Geistliche und Frauenvereine. 1912 ruftWest Virginia offiziell einen Muttertag aus, und 1914 ist es so weit:Präsident Woodrow Wilson proklamiert den nationalen Muttertag,nachdem der Kongress ein entsprechendes Gesetz beschlossen hat.Danach fasst die Idee im rasanten Tempo auf der Welt Fuß, wenn auchnicht alle Länder dasselbe Datum für den Feiertag wählen. Der erstedeutsche Muttertag wird am 13. Mai 1923 begangen - etabliert durchden Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber, der mit Plakaten «Ehretdie Mutter» in den Schaufenstern wirbt.

Währenddessen sorgt sich im fernen Amerika Anna Jarvis schonlängst darüber, dass ihre so gut gemeinte Idee zunehmend durchKommerz ausgehöhlt wird. «Ich wollte, dass es ein Tag des Nachdenkensist und nicht des Profits», wird sie zitiert. Jarvis legt sich mitder Blumenindustrie an, nennt sie Banditen, die «mit ihrer Habgiereine der edelsten, reinsten Bewegungen und Feierlichkeiten»unterliefen. 1948 stirbt sie, blind und arm.