Brandenburg Brandenburg: Rentnerin kämpft um Geld für ihr zerstörtes Haus

Rägelin/dapd. - Christel Steffin muss auf ihre Lunge aufpassen. Zu Beginn der kalten Jahreszeit hat sich die 82-Jährige eine Erkältung eingefangen und darf nicht einmal die 100 Meter zu ihrem alten Haus im kleinen Ort Rägelin in Brandenburg zurücklegen. Als dort vor einem guten Jahr ein Lastwagen aus der Kurve kam und durch die Hauswand krachte, hat sie sich auch die Lunge gequetscht. Der Rücken macht noch heute Probleme. Viel schwerer belastet sie aber, dass sie das kleine Haus mit dem roten Dach nicht mehr betreten kann. Denn selbst ein Jahr nach dem Unfall ist es nur provisorisch abgesperrt und womöglich einsturzgefährdet - für einen Abriss fehlt das Geld.
„Im Grunde genommen ist im vergangenen Jahr gar nichts passiert“, sagt die Rentnerin, die seit dem Unfall in einer Pension lebt. Einen Monat, nachdem sie aus dem Krankenhaus gekommen war, schaltete sie einen Anwalt ein. Er sollte sich auf die Suche nach jemandem machen, der die Kosten für den Schaden übernimmt.
Steffin selbst hat längst den Überblick verloren. „Das war ein polnischer Fahrer“, erzählt sie. Der habe wohl keine Haftpflichtversicherung gehabt. Mittlerweile sei er unauffindbar, habe ihr Anwalt erzählt. Für welche Spedition er unterwegs war, weiß sie nicht. Gerüchte über weitervermietete Lastwagen aus dem Ausland machten die Runde.
Die Gemeinde bot der Rentnerin eine Wohnung an
Ihre Odyssee aus Anwaltsgesprächen und Versicherungsschreiben, Gutachten über das Haus und ihre Gesundheit begann mit einem lauten Knall um vier Uhr morgens. „Plötzlich lagen über mir Steine, das Bein war eingeklemmt“, berichtet sie von dem Unfall. Sie hört noch den Notarztwagen, dann verliert sie das Bewusstsein. Als sie wieder zu sich kommt, liegt sie im Krankenhaus und hat Wochen der Reha vor sich. In ihr Haus kann sie danach nicht zurück. Der Lastwagen hat die komplette Front durchbrochen, direkt in ihr Schlafzimmer. Ein Wiederaufbau würde wohl rund 200.000 Euro kosten.
In den Wochen nach dem Unfall erfuhr Steffin Unterstützung von vielen Seiten. Einwohner aus Rägelin sammelten Spenden, die Gemeindevertretung gewährte ihr ein zinsloses Darlehen von 2.000 Euro. „Wir haben ihr auch eine Wohnung im gemeindeeigenen Wohnblock angeboten“, sagt die Direktorin des Amtes Temnitz, Susanne Dorn. Steffin habe die Wohnung aber abgelehnt, da sie nicht im Erdgeschoss liege. „Das Angebot zur Hilfe steht weiterhin“, bekräftigt Dorn. Beispielsweise könnte sich Steffin zumindest auf die Warteliste für eine Erdgeschosswohnung setzen lassen. Das Darlehen müsse Steffin erst zurückzahlen, wenn sie Geld aus einer Versicherung bekommen habe, sagt Dorn.
Zumindest ein Vorschuss für mögliche Schadensersatzforderungen ist in den letzten Wochen bei Steffin eingegangen. Woher der genau kam, weiß sie nicht. Mutlos bleibt sie in der Pension, obwohl sie sich dort nicht wie zu Hause fühlt. „Es ist doch alles fremd, mir gehört hier doch nichts“, sagt sie. „Du bist eben wie auf Besuch.“ Aus dem Haus hat sie nichts mitgenommen. Kein Fotoalbum, keine Bücher, keine Kleidung. Zu viel Angst hat sie vor den Rissen in der Wand.
Speditionen sparen sich die Maut auf der Autobahn
Bei ihrer Freundin Petra aus dem Dorf geht die Rentnerin häufig zum Mittagessen. Die 59-Jährige versucht mit den ganzen Gutachten und Briefen vom Amt zu helfen, wo nun genau das Problem mit der Versicherung liegt, weiß sie aber auch nicht. „Sie braucht ja gar kein großes oder modernes Haus“, sagt die Freundin. Ein Sohn der Rentnerin habe sogar eine Baufirma. „Es hängt ja alles nur am Geld“, meint die 59-Jährige.
Eigentlich ist Rägelin ein ruhiger Ort, doch seit einigen Jahren donnern die Lastwagen durch seine Mitte. Im Garten von Steffins altem Haus liegt noch ein Scheinwerfer von dem Lastwagen. Das Straßenschild vor der Kurve zeigt Tempo 30 an. Polnische Speditionen nutzen häufig den Weg über Rägelin, vermutlich um sich die Maut auf der nahegelegenen Autobahn zu sparen. Zum Glück sei der Lastwagen zum Zeitpunkt des Unfalles leer gewesen, sonst wäre sie nun tot, glaubt Steffin. „Es ist ja nicht einmal mein Nachthemd heil geblieben.“
