BGH prüft Sicherungsverwahrung für Jugendliche
Karlsruhe/dpa. - Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe prüft erstmals, ob die nachträgliche Sicherungsverwahrung auch nach Jugendstrafen zulässig ist. Geht es nach dem Anwalt eines 32-Jährigen aus Bayern, soll die Entscheidung jedoch an höherer Stelle fallen.
Rechtsanwalt Gunter Widmaier forderte eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht. Das höchste deutsche Gericht solle prüfen, ob das seit 2008 geltende Gesetz gegen die Verfassung verstößt. Aus seiner Sicht ist dies der Fall, weil die Sicherungsverwahrung wie ein Damoklesschwert über jugendlichen Straftätern hängt. Damit werde gegen das Gebot der Berechenbarkeit staatlichen Handelns verstoßen, so Widmaier.
Sein Mandant war 1999 nach dem Mord an einer Joggerin zur Jugendhöchststrafe von zehn Jahren verurteilt worden. Das Landgericht Regensburg ordnete jedoch im Juni 2009 an, dass er trotz verbüßter Strafe in Haft bleibt - eine Premiere. Erst wenige Tage vor der für den 17. Juli 2008 geplanten Entlassung des Mannes hatte die Bundesregierung das Gesetz verabschiedet, das diese Zusatz-Strafe auch nach dem Jugendrecht ermöglicht. Zuvor war dies nur bei Erwachsenen möglich. Der BGH prüft nun, ob dies zulässig ist. Er wollte seine Entscheidung am Nachmittag (gegen 15.00 Uhr) verkünden; es ist aber nicht auszuschließen, dass er sich vertagt.
Die Bundesanwaltschaft beantragte, das Urteil aus Regensburg zu bestätigen. Aus Sicht von Bundesanwalt Wolfgang Kalf ist das Gesetz nicht zu beanstanden. Der Verteidiger äußerte jedoch erhebliche Bedenken und verwies auf die Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg. Dieser hatte im Dezember 2009 geurteilt, dass die deutschen Vorschriften zur Sicherungsverwahrung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Bundesregierung will dagegen vorgehen.
Mit Blick auf diese ausstehende Entscheidung sei ein Urteil des BGH nicht angebracht, meinte Widmaier. Der Fall müsse zumindest ausgesetzt werden, bis das Straßburger Urteil rechtskräftig sei. Ein anderer BGH-Strafsenat hat dies bei einem Fall aus Saarbrücken getan.
Sollten diese Argumente die Karlsruher Richter nicht überzeugen, sieht der Jurist dennoch Chancen für seinen Mandanten: Es müssen umfassender geprüft werden, ob der 32-Jährige tatsächlich einen Hang zu gefährlichen Straftaten hat und wie groß die von ihm ausgehende Gefahr sei. Aus diesem Grund müsse das Urteil aus Bayern in jedem Fall aufgehoben werden und der Fall erneut geprüft werden.
Der 32-Jährige hatte 1997 eine 31 Jahre alte Joggerin bei Regensburg überfallen. Der Schreinerlehrling erwürgte sie und riss ihr die Kleider vom Leib. Danach befriedigte er sich über dem nackten Opfer selbst. Der Mann gilt als höchst gefährlich und hatte schon als Jugendlicher Gewaltfantasien. Während der Haft attestierte ihm ein Gutachter eine zunehmende sexuelle Störung, die ihren sadistischen Höhepunkt noch nicht erreicht haben soll.