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Besondere Kleidung für Beerdigung Besondere Kleidung für Beerdigung: Himmelskleider für Sternenkinder

04.04.2016, 09:13
Für die Himmelskleider hat Isabel Weber nähen gelernt.
Für die Himmelskleider hat Isabel Weber nähen gelernt. Simon Hofmann/Stadtlandkind

Worms - Irgendwann musste Isabel Weber einen Brautkleid-Annahmestopp „verhängen“. Trotzdem bekommt die 29-Jährige aus Worms regelmäßig Anfragen von Frauen, die ihr gern ihr Hochzeitskleid überlassen würden.  Allerdings nicht für, wie man so sagt, den schönsten Tag im Leben - sondern für den wohl traurigsten Tag, der Eltern treffen kann:  Isabel Weber fertigt aus gespendeten Brautkleidern winzige Kleidchen und Anzüge für Sternenkinder. Für Kinder also, die tot zur Welt kommen oder kurz nach der Geburt sterben. „Himmelskleider“  hat sie die festliche, liebevoll verzierte Kleidung getauft, die betroffenen Eltern „einen würdevollen  Abschied von ihrem Kind ermöglichen soll“, wie sie sagt. „Die Sternenkinder gehen sonst meist nackt, nur in Tücher gehüllt oder in viel zu großen Stramplern“, berichtet die Hebamme.  Und wieso Brautkleider? Natürlich: „Weil sie ein Zeichen der Liebe sind.“

Ein großer Verlust

Es war Jonathan, der bei ihr die Idee für die Himmelskleider aufkommen ließ. Jonathan, ihr Erstgeborener. Er wäre heute vier Jahre alt - wie sein Zwillingsbruder David. Die beiden kamen 2011 viel zu früh auf die Welt. Jonathan schaffte es nicht, verstarb zwei Tage später. „Er bekam selbstgestrickte Söckchen und Mützchen und einen viel zu großen Body für Frühchen - es gab nichts Kleineres“, erzählt Isabel Weber. Und: „Die Himmelskleider sind mein Stück liebende Erinnerung an ihn. Eigentlich nähe ich jedes für Jonathan.“
Ihr Projekt hat 2014 ganz klein mit einem Gedankenblitz auf dem Sofa und einer alten Nähmaschine begonnen - und ist heute größer, als sich die Initiatorin, die vorher noch nie genäht hatte, das je vorgestellt hätte. Nicht nur, dass es längst eine Warteliste für Brautkleidspenden gibt. Es beteiligen sich auch immer mehr Kliniken. Und ein Verein ist entstanden - mit Mitstreitern, die etwa bei der Beantwortung von E-Mails betroffener Eltern oder Presseanfragen helfen. „Bisher konnten insgesamt rund 60 Familien mit den Kleidchen beschenkt werden“, berichtet Isabel Weber.
 Sie nutzt jede freie Minute für ihr Herzensprojekt - oder, wie sie es nennt: „Der Verein ist meine Freizeit.“ Zeit, die sie für ihr Anliegen gern gibt. Auf der Himmelskleider-Homepage schreibt sie:  „Mein Geschenk an die Eltern nimmt nicht den Schmerz der Familien, aber es gibt ihnen die Gewissheit, dass das Leben ihres Kindes wichtig war und eine Bedeutung hatte.“

Viele private Anfragen

Die Kliniken, die mitmachen, erhalten jeweils ein komplettes Sortiment an Himmelskleidern - in verschiedenen Ausführungen für Jungs und Mädchen und in unterschiedlichen Größen. Je nach Bedarf kann dann nachbestellt werden. Mit dabei ist zum Beispiel die Universitätsfrauenklinik  Magdeburg. Bald soll das hallesche Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara ebenfalls mit Himmelskleidern ausgestattet werden.
Häufig wenden sich auch Eltern direkt an Isabel Weber.  „Im vorigen Jahr erhielten wir viele private Anfragen“, berichtet die dreifache Mutter. Manchmal muss es dann ganz schnell gehen. Wie bei einer E-Mail, die sie an einem Samstagvormittag erhielt: „Die Familie fragte, ob es noch möglich sei, ein Himmelskleid zu bekommen - die Beerdigung sollte bereits am Montag sein“, erzählt sie. „Da wir auf Vorrat nähen, haben wir immer Kleidchen da.“  Sie schickte das Paket keine zwei Stunden später per Express-Lieferung los. „Es kam rechtzeitig an.“  Oft melden sich die Familien noch einmal bei Isabel Weber - mit Briefen oder Fotos ihrer Kinder. „Mit einer Mutter habe ich noch heute regelmäßigen Kontakt.“

Weder den Kliniken noch den  Familien entstehen Kosten für die Himmelskleider. „Das Projekt ist komplett spendenfinanziert. Erlöse werden für Kurzwaren, Porto und Projektmaterialien verwendet. Und alle, die bei den Himmelskleidern mithelfen, tun das ehrenamtlich“, betont die Vereinsvorsitzende. So gibt es zum Beispiel regelmäßig Nähtreffs. Andere Unterstützer stricken für die Kleinsten.

Das erste und das letzte Kleid

Dabei entstehen winzige Mützen und Schuhe, die zu den Kleidern für die Mädchen und den Anzügen aus Jacke und Hose für die Jungs passen. Isabel Weber ist es wichtig, dass die Kleidung gut aussieht und sich auch hochwertig anfühlt. „Es ist immerhin das erste und das letzte Kleid, das die Kinder tragen.“ Für kleinere Sternenkinder näht sie mit ihren Mitstreiterinnen sogenannte Pucksäckchen - „ebenfalls aus Brautkleidstoff“. In den sorgsam gepackten Boxen, die die Familien erhalten, befindet sich zudem jeweils ein Herz aus demselben Stoff als Erinnerung, eine mit Sternen verzierte Gedenkkerze sowie ein Brief für die Eltern.  
Nicht nur die Geschichten der betroffenen Familien gehen ans Herz, mitunter auch die der Brautkleidspenderinnen. „Die Beweggründe der Frauen sind verschieden. Viele finden den Gedanken schön, dass das Kleid so noch einmal eine ganz besondere Bedeutung erhält - zumal es teils schon viele Jahre ungenutzt im Schrank hängt“, sagt Isabel Weber. Einmal erhielt sie aber eine E-Mail, die anders war. „Eine Frau schrieb, dass ihr Vater kurz vor ihrer Hochzeit an Krebs gestorben sei. Sie hatte das Kleid vorher schon einmal für ihn angezogen. Und nun wollte sie es in Form der Kleidchen Stück für Stück zu ihm in den Himmel schicken.“ (mz)