Berlin-Steglitz Berlin-Steglitz: Patient erschießt im Benjamin-Franklin-Klinikum Arzt und sich selbst

Im Benjamin-Franklin-Klinikum Steglitz ist am Dienstag ein Arzt erschossen worden. Der 72-jährige Rentner Rainer B. aus Spandau gab gegen 13 Uhr in einem Behandlungszimmer zwei Schüsse auf einen Oberarzt ab. Danach lief er von der vierten Etage des Gebäudekomplexes in den zweiten Stock und erschoss sich dort.
Das Opfer Thomas P., ein 55 Jahre alter Oberarzt in der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, erlag am Nachmittag trotz einer Notoperation seinen Verletzungen. Der Mediziner hinterlässt eine Frau und zwei minderjährige Kinder.
Nach Angaben von Polizeisprecher Winfrid Wenzel gab es aus dem Krankenhaus heraus viele Anrufer, die den Notruf 110 gewählt hatten. Die Polizei fuhr mit einem Großaufgebot zum Krankenhaus, weil sie angesichts der Geschehnisse der vergangenen Tage eine Terror- oder Amok-Lage nicht ausschloss. Polizisten räumten das Bettenhaus. Teams des Spezialeinsatzkommandos (SEK) durchsuchten das Gebäude, um sicherzugehen, dass sich nicht noch weitere Täter dort aufhielten. Relativ schnell stand fest, dass es nur ein Täter war.
„Wir haben einen lieben Kollegen verloren, wir sind fassungslos, dass so etwas in einer Klinik passiert“, sagte der Ärztliche Direktor der Charité, Ulrich Frei, am Abend.
„Wir können noch keine seriöse Aussage zum Motiv des Mannes treffen“, sagte Polizeisprecher Winfrid Wenzel.
Polizisten durchsuchten am Abend in Spandau die Wohnung des Rentners. Sie wollen wissen, wo der 72-Jährige die Waffe her hatte und was ihn zu der Tat trieb.
Schütze Rainer B. war langjähriger Patient
Am Nachmittag stellte sich heraus, dass der Schütze Rainer B. als Patient in das Krankenhaus gekommen war. Der Mann aus Spandau war nach Informationen der Berliner Zeitung im Mund an Krebs erkrankt und in der Steglitzer Klinik schon seit mehreren Jahren in Behandlung bei dem Arzt. Bereits am Montag war der Rentner im Klinikum. Er wollte zu dem Arzt, traf ihn aber nicht an. Als er am Dienstag auf Thomas P. traf, sagte er zu ihm kein Wort, zog die Waffe aus der Jacke und schoss unvermittelt auf ihn.
Rainer B. war von Dr. Thomas B. schon seit längerem behandelt worden. Er wurde von ihm auch operiert. Der Oberarzt war als Mund, Kiefer- und Gesichtschirurg ein hoch angesehener Spezialist. „Er war auf diesem Gebiet als Operateur ausgewiesen und sehr gesucht“, sagte Karl Max Einhäupl, Vorstandsvorsitzender der Charité während einer Pressekonferenz am Abend. „Wir können diese Tat nicht verstehen.“ Er vermutet eher Verzweiflung als Rache als Motiv.
Ein Pfleger im Krankenhaus berichtete, dass er und seine Kollegen von der Klinikleitung kurz nach 13 Uhr über die Schüsse informiert und gewarnt worden waren. „Uns wurde gesagt, dass wir uns in geeignete Räume zurückziehen und die Türen verschließen sollen“, sagte der Pfleger. Panik sei nicht entstanden. Das werde in regelmäßigen Abständen geübt. „Später sollten wir das Gebäude verlassen. Das haben wir getan“, so der Pfleger weiter. „Für die Patienten konnten wir zu diesem Zeitpunkt sowieso nichts tun, weil die Ambulanzen geräumt worden waren.“
Massive Probleme mit dem digitalen Polizeifunk
Die Polizei warnte unterdessen Nutzer von sozialen Netzwerken davor, Gerüchte zu verbreiten. Das hatte am vergangenen Freitag bei dem Amoklauf in München für Irritationen gesorgt und die Polizeiarbeit massiv behindert.
Das Krankenhausgelände war weiträumig abgesperrt, vor dem Gebäude standen laut Augenzeugen mindestens 20 Fahrzeuge von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten. Die Zufahrt war zeitweise gesperrt worden.
Nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei gab es während des Einsatzes massive Probleme mit dem neu angeschafften Digitalfunk. So hätten Beamte des Polizeiabschnittes im zweiten Obergeschoss eine Stunde lang nichts gehört und konnten keinen Funkspruch absetzen. „Und das, wo noch völlig unklar war, ob es noch weitere Täter gab“, sagte GdP-Landessprecher Benjamin Jendro. „Digitalfunk ist das wichtigste Einsatzmittel, um sich in solchen Lagen zu koordinieren. Wenn der Funk nicht klappt, wird mit Menschenleben gespielt.“
Karl Max Einhäupl, Vorstandsvorsitzender der Charité, lehnte verstärkte Sicherheitskontrollen in Krankenhäusern ab. Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) verurteilte die Tat. Er trauere mit den Angehörigen des Opfers und sei in Gedanken auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Klinikums, die einen Kollegen verloren haben, sagte er.