Berlin Berlin: Bier trinken für den Kiez

Berlin/dpa. - Der Quartiermeister war früher für das Wohl imHeerlager zuständig. Sebastian Jacob will an diese Traditionanknüpfen: Sein «Quartiermeister» ist jedoch ein Pils. Es soll ganzeBezirke mit Wohltaten versorgen. Der Erlös des Bieres kommt sozialenProjekten in Neukölln und Kreuzberg zu Gute.
Jurastudent Jacob (30) hatte die Idee, als er an seinerExamensarbeit saß. «Es war im Grunde eine Kopfgeburt», sagt der jungeMann mit dem zerzausten Haar heute. Er habe nach einem simplen Wegzur Nachhaltigkeit gesucht, wie man den Verbrauchern etwaszurückgeben kann. «Bier ist genau das richtige Produkt - es machtSpaß, ist gesellig und auch etwas Lokales.»
Das Prinzip ist einfach: Das Bier einer regionalen Brauerei wirdin großen Mengen zu Sonderpreisen gekauft und neu etikettiert. Danachlandet es in Bars und Kneipen. So haben die Abnehmer Spielraum inihrer Abrechnung und können Geld abzweigen, das später in sozialeProjekte fließen soll. «Wir drehen den Spieß von der sozialenMarktwirtschaft mehr zum Sozialen», sagt Jacob und lächelt. Die Leutehätten dann etwas von dem Geld, das sie in der Kneipe lassen.
Nach einiger Suche hatte Jacob die Garley-Brauerei in Gardelegen(Sachsen-Anhalt) gefunden. Mit ihr setzt er sein Konzept seit Sommer2010 um. «Es gibt in Berlin viele Mikrobrauereien, die gutes Bierbrauen», sagt er. «Rotes Wedding», «Kreuzberger Molle» oder«Friedrichshainer» heißen sie. «Aber die waren für unsere Zwecke zuklein.» Auf der anderen Seite der Skala stünden nur dieGroßbrauereien, die Jacob meiden will.
Das Garley Premium Pilsner in seinen Flaschen sei dagegen dasrichtige Bier. Hopfen und Malz kommen aus umliegen Anbaugebieten inSachsen-Anhalt und Thüringen. Der Bierkasten mit 20 Flaschen á 0,33Liter geht im Schnitt für zehn Euro an die Kneipen, drei davon gehenan gemeinnützige Initiativen. Der Gastronom selbst macht seinennormalen Schnitt.
Die meisten der über 1300 Brauereien in Deutschland seien sozialengagiert, heißt es beim Deutschen Brauer-Bund. Jedoch stünden vieleunter wirtschaftlichem Druck und zeigten sich vielleicht nicht mehrso großzügig wie in den 70er Jahren. Mit dem Konzept desRechtsreferendars habe man sich bisher nicht näher befasst. «Alleswas dem deutschen Bier dient, kann nur gut sein», sagt Marc-OliverHuhnholz, Pressesprecher der Brauer. «Und wenn es dann noch Weiterendient, dann ist es noch besser: Eine Win-Win Situation.»
Der erste Abnehmer des Sozialbieres war Jacobs Stammkneipe «FreiesNeukölln». Damals lieferte der Student die Kästen selbst mit seinemFahrrad aus, inzwischen hat das ein Getränkedienst übernommen.Immerhin werden 40 bis 50 Kneipen in Berlin beliefert, die meistendavon in Kreuzberg und in Neukölln. Regelmäßig wird der Gewinn in denKiezen ausgeschüttet. Die Biertrinker können im Internetmitentscheiden, welche Projekte gefördert werden sollen.
Mittlerweile bezuschussen die Bierfreunde unter anderem mehrereProjekte für Schüler, von der Hilfe bei den Hausaufgaben bis zu derVorbereitung auf den Schulabschluss. «Die Knete, die übrig bleibt,fließt in Soziales», sagt Sebastian Jacob salopp. Er selbst verdientdabei nach eigenen Angaben nichts. Sobald das Projekt besser läuft,kann sich der Student aber eine Aufwandsentschädigung für dieinvestierte Zeit vorstellen.
Seit Mai dieses Jahres laufen sogar erste Versuche, das System aufganz Deutschland auszuweiten. Die Stadtteil-Initiative KoblenzerStraße in Frankfurt am Main verkauft seither das Sozialbier undfördert damit das eigene Tonstudio, die Fahrradwerkstatt und denClub. 200 Kästen wurden dort im Juli getrunken, in Berlin waren eszeitgleich etwa 500. Künftig übernimmt dann ein Partner von Garleyden örtlichen «Quartiermeister» in Hessen und liefert lokales Bieraus dem Herborner Brauhaus. «In einigen Städten könnten dieMarktverschlussmechanismen Probleme machen», sagt Jacob über weitereExpansionspläne. «Aber die gibt es in Berlin auch.»