Belgien Belgien: Filmreifer Diamanten-Raubzug am Flughafen Brüssel

Brüssel/MZ - Das Ding lief ab wie im Film. Aber wenn es nach Caroline De Wolf geht, steht das Ende dieses Kriminalfalls schon fest: „Es handelt sich um Rohdiamanten. Die Chance, dass wir sie wiedersehen ist gering“, gestand die Mitarbeiterin vom World Diamond Centre in Antwerpen gestern dem belgischen Rundfunksender Radio 1.
Sie? Das ist in diesem Sinne doppeldeutig. Das sind zum einen die Räuber und zum anderen die Diamanten. Denn auf dem Brüsseler Flughafen hatte sich am Montagabend ein dreister Überfall ereignet. Nicht so filigran wie im berühmten Kinofilm Topkapi, sondern eher etwas brachialer. Um kurz vor 20 Uhr durchbrachen zwei schwere Wagen die Absperrungen auf dem Brüsseler Flughafen und fuhren auf dem Rollfeld direkt vor eine Maschine der Schweizer Luftfahrtlinie Swiss vor. Der Flieger sollte nach Zürich fliegen. Doch zum Start kam es nicht. Acht schwer bewaffnete Männer stürmten aus den Wagen, und überrumpelten das Bodenpersonal, das beim Beladen des Fliegers war. Es fiel kein einziger Schuss, auch verletzt wurde niemand. Das Diebesgut indes war groß. 120 Päckchen erbeuteten die Räuber, darin Diamanten im Wert von rund 50 Millionen Dollar, umgerechnet rund 37,4 Millionen Euro. Und das alles in nur drei Minuten.
„Sie haben eine gute Beute gemacht“, räumte selbst Diamantenexpertin Caroline de Wolf am Tag nach dem Raubzug ein. Die Polizei aber rätselte. Weniger über die Art des Überfalls. Schon im Jahr 1995 und 2000 war es auf dem Brüsseler Flughafen zu ähnlich spektakulären Diamantrauben gekommen. Wohl aber hatte die Polizei zunächst keine Spur von den Tätern. Unweit des Airports fand sie die Wagen der Räuber, die Fahrzeuge waren ausgebrannt. „Die Täter sind sehr professionell vorgegangen, man fährt nicht einfach so an einem Flughafen vor. Wir erfüllen strengste internationale Sicherheitsanforderungen“, sagte Jan Van Der Cruysse vom Airport Brüssel der Zeitung Standaard. Belgien ist ein internationaler Umschlagplatz im Diamanthandel. Viele Millionen Karat werden hier pro Jahr eingeführt und vornehmlich in Antwerpen weiterverarbeitet. Doch ist auch das Geschäft mit den schönen Steinen längst globalisiert. Wüstenstaaten wie Dubai locken Händler mit günstigen Steuern. Der Markt ist in Aufruhr.
In Paris wird ein Laden der amerikanischen Luxusjuwelierkette Harry Winston überfallen. Die Gangster sacken Schmuck im Wert von 85 Millionen Euro ein. Das Geschäft war bereits 2007 überfallen worden. Die Beute betrug damals geschätzte 20 bis 44 Millionen Euro.
In einer Bank im Diamantenviertel von Antwerpen werden Edelsteine im Wert von rund 21 Millionen Euro gestohlen.
Bei einem Überfall auf dem schwer bewachten Frachtgelände des Amsterdamer Flughafens Schiphol werden Schmuck und Diamanten im Wert von 80 Millionen Euro geraubt.
Einbrecher lassen sich am Wochenende im Diamond Center in Antwerpen einschließen. Sie brechen 120 Schließfächer auf und erbeuten Diamanten und Wertpapiere für rund 100 Millionen Euro. (dpa)
Auch Gangster setzen dem belgischen Diamanthandel zu. Nach mehreren spektakulären Überfällen lag der Handel im Jahr 2001 kurzzeitig sogar komplett still. Die Fluggesellschaften weigerten sich kurzerhand die gefährliche Ware weiter zu transportieren.
Bei dem Raubzug am Montag war die international tätige Firma Brink“s Diamand & Jewelry Services für die Sicherheit verantwortlich. Vergeblich.
Die Polizei hatte gestern noch keine heiße Spur. Fest stand nur eines: Es waren Profis „Das war eine genau vorbereitete Tat“, sagte Ine Van Wymersch, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Summen wollte sie nicht bestätigen. Und auch Caroline De Wolf vom World Diamond Centre in Antwerpen sprach nur von einem „gigantischen Betrag“. Da es sich um Rohdiamanten handelt, sind die Steine aber auch nicht geschliffen. „Die Diamanten sind bestimmt nicht mit einem Zertifikat versehen“, so De Wolf. Sprich: „Die Steine können leicht verkauft werden und werden wohl schnell weg sein.“
Ganz abfinden mit den regelmäßigen Überfällen will sich aber auch Caroline De Wolf nicht. Anders als beim Geldtransport gebe es noch keine Koffer mit Farbkartuschen, die im Fall eines Überfalls gezündet werden könnten. De Wolf erklärte: „Wir versuchen die Ware immer auf die sicherste Weise zu transportieren.“ Dieses mal war sicher nicht sicher genug.