Belgien Belgien: Ex-Frau von Marc Dutroux geht ins Kloster
Brüssel/MZ. - Die Erklärung war bemerkenswert. Die belgische Zeitung "De Standaard" druckte sie gar auf ihrer Titelseite ab. "Michèle Martin ist ein Mensch, der zum Guten wie zum Bösen fähig ist - so wie wir alle. Wir glauben daher, dass wir nicht leichtfertig handeln, wenn wir das Beste von ihr erwarten", heißt es in der Erklärung von Schwester Christine, der Äbtissin des Klarissenklosters in Malonne.
In den nächsten beiden Wochen soll Michèle Martin, die geschiedene Ehefrau des belgischen Sexualstraftäters Marc Dutroux, in das Kloster übersiedeln. Wegen der Entführung und Tötung von vier Kindern war sie zu 30 Jahren Haft verurteilt worden. Ein Gericht in Mons hatte in dieser Woche nach 16 Jahren Gefängnis ihre vorzeitige Entlassung gebilligt, zugleich aber verfügt, dass sich Michèle Martin von den Familien ihrer Opfer fernhalten und an einem Resozialisierungsprogramm teilnehmen muss.
Das will sie hinter Klostermauern bei den Klarissen von Malonne leisten. Ihr Anwalt Thierry Moreau hatte den Kontakt zu den Nonnen hergestellt, nachdem die Aufnahme in einem französischen Kloster im Vorjahr gescheitert war. "Unsere Wege haben sich gekreuzt", teilte Äbtissin Christine mit. "Das ist eine Herausforderung für uns." Und für ganz Belgien.
Das Land diskutiert über die vorzeitige Haftentlassung von Michèle Martin. Und über die Güte von Oberin Christine und ihrer zehn Mitschwestern. In Malonne waren in der Nacht die Klostermauern beschmiert worden. "No MM", - Nein, Michèle Martin - stand neonfarben auf Putz und Türen. Für Freitag und Samstag sind Demonstrationen in dem kleinen Ort nahe der südbelgischen Stadt Namur angekündigt. Namurs Bürgermeister Maxime Prèvot wusste nichts von den Plänen der Klosterschwestern. Er fordert in einem Brief vom Justizministerium weitere Informationen. Auch die elf Nonnen haben lange diskutiert, ob sie Martin aufnehmen sollen. "Alle meine Mitschwestern haben frei heraus ihre Meinung gesagt. Es war keine einfache Aufgabe, und wir haben den Entschluss lange reifen lassen. Schlussendlich haben wir beschlossen, das wir Ja sagen müssten", heißt es in Christines Erklärung. Doch stellten die Nonnen zwei Bedingungen: Die Gesetze des belgischen Staates müssten voll respektiert werden und es müsse eine positive Prognose auf vollständige Resozialisierung geben. Nach Angaben von Äbtissin Christine soll die 52-jährige Michèle Martin in der Küche oder im Garten arbeiten, vier Stunden pro Tag. Die Nonne hofft auf das Gute im Menschen ganz nach der Regel des Ordensgründers Franz von Assisi. "Das Gesetz fordert, die Strafe nimmt, die Gnade gibt."
Die belgische Zeitung "Le Soir" präsentierte in boulevardesker Art Krimininalstatistiken. Danach wird jeder dritte vorzeitig Entlassene wieder strafffällig. "Sie ist eine andere Frau", sagt Martins Anwalt Moreau. In der Haft habe sie zum Glauben gefunden. Die Familien der Opfer werfen Michèle Martin vor, sie habe sich vor Gericht als erstes Opfer von Marc Dutroux stilisiert. Der Sexualstraftäter hatte in den 90er-Jahren sechs Mädchen entführt, vergewaltigt und als Geisel gehalten, vier der Kinder starben, zwei konnten bei Dutroux' Festnahme im Jahr 1996 befreit werden. Eine der Überlebenden, Sabine Delhez, mittlerweile selbst dreifache Mutter, ließ über ihren Anwalt erklären, die vorzeitige Haftentlassung von Michèle Martin sei "vernichtend". Sabine Dardenne, ein anderes Opfer Dutroux' erklärte: "Sie wird mein Leben nicht noch einmal verderben."