Begräbnis Begräbnis: Rosen für Ferdinand
Halle/MZ. - Ferdinand ist ein Kater. Ein ganz hübscher, wie das Foto auf der lackierten Holztafel beweist. Gestorben ist die Kurzhaar-Katze vor einem halben Jahr. Kurze Zeit später folgte ihr Kater Elonzo. Ihre sterblichen Überreste liegen in einem gemeinsamen Grab auf dem Tierfriedhof in Halle, gleich neben der letzten Ruhestätte von Mischling Rocky und Pudeldame Tina.
Das 900 Quadratmeter große Gelände zwischen der B 100 und dem halleschen Stadtteil Frohe Zukunft ist ein wahrlich anheimelnder Ort für trauernde Herrchen und Frauchen. Vögel zwitschern in den Bäumen, die ihre rauschenden Kronen schützend über ein Gutteil der Grabstätten am Goldberg breiten. Ab und an dringt Kinderlachen herüber vom Tierpark und dem Spielplatz, ebenso wie der Trauerort vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband betreut. Und manchmal verirrt sich auch eine Kinderschar hier her. Die wird dann ganz still, wenn sie an den Gräbern mit den Windmühlen, den bemalten Steinen und dem Spielzeug vorbei läuft und die Aufschriften auf den Tafeln liest. Von der Katze Krümel, dem Dackel Strolch oder von Focus, dem auf dem Gedenkschild attestiert wird, dass er zu Lebzeiten seinen Besitzern ein guter Freund war. Und die haben ihm seine Treue honoriert mit einer würdevollen Bestattung.
"Etwa 350 Haustiere sind hier beerdigt", bilanziert Margrit Körner. Die 53-Jährige ist Friedhofsgärtnerin. Gern führt die Blondine durch den immer geöffnete Gedenkort, der seit 1998 besteht und der durch gemeinnützige Arbeit unterhalten wird. "Meist sind es Hunde und Katzen, die bei uns ihre letzte Ruhe finden", erzählt die Röpzigerin. Aber auch Gräber von Kaninchen, Hamstern und einem Pony können besichtigt werden. Sogar ein Goldfisch, den ein Kind sehr lieb gehabt haben muss, wurde am Goldberg in ein winziges Grab gebettet. "Vivien" steht auf der verwitterten Tafel.
Genau ist die Zahl der Tiere, die in deutschen Haushalten leben, nicht zu ermitteln, weil nur Hunde registriert werden. "Aber wir gehen von etwa 40 Millionen Haustieren aus", schätzt Ralf Hendrichs. "Jeden Tag sterben bundesweit mehr als 3 000 Hunde und Katzen", nennt das Mitglied des Bundesverbandes der Tierbestatter eine weitere Schätz-Zahl. Was der 56-jährige Immobilienmakler aber genau weiß: Immer mehr Tierfreunde bestatten ihren verstorbenen Liebling auf einem speziellen Friedhof. So stieg die Zahl der Erdbestattungen laut Verbandsangaben deutschlandweit von 2002 bis 2007 von 3 000 auf 10 000, die Zahl der Feuerbestattungen von 6 000 auf 20 000 pro Jahr. Hendrichs selber ist Gründer und Geschäftsführer einer der größten Tierfriedhöfe in Deutschland. Der "Tierhimmel" in Teltow dehnt sich über 10 000 Quadratmeter. 3 000 Tiere sind in der parkähnlichen Anlage beerdigt. Tendenz steigend.
Den Aufwärtstrend kann auch Hendrichs hallesche Kollegin bestätigen. "Seit Jahresbeginn hatten wir schon mehr als 30 Bestattungen", weiß Margrit Körner, die nicht nur 150 Gräber pflegt, sondern auch Tiere bestattet. Selbst Katzenbesitzerin, weiß sie von den Gefühlen der Trauernden, deren emotionale Bindung zu ihrem Tier mit der Liebe zu einem Kleinkind vergleichbar ist. "Als Freunde wachsen sie uns ans Herz, sind oft jahrelang Begleiter durch dick und dünn. Dass die Trauer groß ist, wenn das Tier stirbt, ist nur allzu menschlich. Aber bei uns können Menschen ihre Trauer zulassen", meint die Friedhofsgärtnerin. Und verschweigt auch die Kosten nicht für ein Begräbnis. Ein Reihengrab für ein großes Tier - Pachtzeit mindestens drei Jahre - kostet 150 Euro, ein kleines 110 Euro. Beerdigungsbehälter sind zwischen acht und 20 Euro zu haben. Und für 30 Euro fertigt Margrit Körner eine Gedenktafel mit Inschrift und Bild.
Einen Raum der Stille oder eine gratis Trauerbegleitung wie im "Himmelreich" gibt es in Halle nicht. Doch auch dafür fühlt sich Margrit Körner zuständig. Sie hört zu, wenn Trauernde am Grab stehen und von ihrem schnurrenden Liebling oder dem treuen Wachhund erzählen, schaut sich Bilder an und nimmt auch mal Weinende in den Arm. Gerade tröstet sie Inge und Anke Winkelmann. Die beiden Hallenserinnen haben ein Familienmitglied verloren. Ihr Felix ist am 6. Mai gestorben. Überall war der Schäferhund dabei. Bei Wanderungen in den Alpen oder beim Baden in der Ostsee. Als Felix schwer erkrankte, mussten sich die Frauen mit dem Tod beschäftigen. "Mit der letzten Ruhestätte auf diesem Friedhof können wir unserem Felix etwas von dem zurückgeben, was er uns Zeit seines Lebens an Zuwendung zuteil werden ließ", ringt Inge Winkelmann mit den Tränen und schaut auf das Grab des Vierbeiners. Liebevoll ist es hergerichtet. Mit kleinen Koniferen, Sonnenblumen, Gedenkplatte und einem großen F, geformt aus orangerot leuchtenden Studentenblumen.
Noch vor ein paar Jahren wurden die Leute belächelt, die ihr Haustier, statt es von der Tierkörperverwertung abholen zu lassen, auf einem Friedhof beisetzen ließen. Heute gibt es in Deutschland etwa zehn Tierkrematorien und mehr als 120 -friedhöfe. Viele davon entstanden durch privates Engagement von Tierfreunden. Auch in Sachsen-Anhalt. Wie etwa die Einrichtung nahe Zeitz. Auf ihrem Grundstück hat Familie Tuchscherer, selbst Besitzer von Hunden, Katzen und Pferden, auf 1 500 Quadratmetern eine frei zugängliche Ruhestätte eingerichtet. "Hier liegen 50 Tiere, im Reihengrab oder anonym auf der Wiese", sagt Kathrin Tuchscherer, die im Rahmen eines Existenzgründerlehrgangs zuvor ein Praktikum im Tierheim Zeitz absolvierte. Bisher nur ein Hund, nämlich Purzel, ist auf dem Grundstück von Steinmetz Ronald Frank in Allstedt, dem jüngsten und mit 60 Quadratmetern wohl kleinsten Tierfriedhof Sachsen-Anhalts bestattet.
Platz für Trauer gibt es auch vor den Toren Weißenfels. Auf einem Areal von 4 500 Quadratmetern an der B 91 ruhen 80 Hunde, Katzen und Kaninchen. "Tiere muss man im Tod genauso respektvoll behandeln wie Menschen", meint Volker Luka, der 46-jährige Betreiber. Dieser Ansicht ist auch Ralf Neidenberger. "Ferdinand und Elonzo lagen uns sehr am Herzen. Wir vermissen sie so", sagt der 49-Jährige. Er nimmt die gelbe Gießkanne und beim Verlassen des Friedhofes schaut er noch einmal zurück auf das bunte Blühen ringsum.
Auskünfte über den Tierfriedhof in Halle unter Tel. 0345 / 523 30 98