Bayern Bayern: Schweigemarsch in Bad Reichenhall

Bad Reichenhall/dpa. - Da war er wieder, der Tod bringendeSchnee: Als ob das katastrophale Einstürzen des Eishallendaches untertonnenschwerer Schneelast vor einem Jahr in Bad Reichenhall nocheinmal besonders schmerzlich in Erinnerung gerufen werden sollte,setzte am Dienstag - dem 1. Jahrestag des Unglücks - nachwochenlanger Trockenheit Schneeregen ein. Exakt um 15.54 Uhr, zujener Minute, als am 2. Januar 2006 das Hallendach auf die Eisflächekrachte, begannen alle Kirchenglocken der Stadt in den Alpen für fünfMinuten zu läuten. Der Ort und mit ihm die Angehörigen der 15 Totensowie die 34 Verletzten und die Helfer des Rettungseinsatzes wolltenin stillem Gedenken an das schreckliche Geschehen vor einem Jahrerinnern.
Schweigend legte Oberbürgermeister Herbert Lackner (CSU) an derprovisorischen Gedenkstätte vor der Bauruine einen Kranz nieder.Zwölf schlichte weiße Holzkreuze symbolisieren dort die toten Kinder,drei braune Kreuze die bei dem Unglück ums Leben gekommenen Frauen.Neben einem der weißen Kreuze hängt ein Zettel mit dem Text: «Deneignen Tod, den stirbt man nur, doch mit dem Tod der andern muss manleben. In Liebe und Sehnsucht, Oma und Opa.» Am Boden stehenStofftiere, die an die toten Jungen und Mädchen erinnern. Vor undnach der Kranzniederlegung legten Angehörige Blumen nieder. Für diebayerische Staatsregierung nahm Innenstaatssekretär Georg Schmid(CSU) an der Gedenkfeier teil.
Anschließend formierte sich ein Trauermarsch mehrerer hundertMenschen zum nahen katholischen Münster St. Zeno, wo ein ökumenischerGottesdienst gefeiert wurde. In einer bewegenden Zeremonie legtenKommunalpolitiker und Angehörige der Opfer vor einer Pieta mit demLeichnam Jesu und vor einer Christus-Ikone 18 weiße Rosen nieder.Dazu wurden unter Glockengeläut die Vornamen der Todesopfer verlesen.Am 2. Januar 2006 waren bei einem Lawinenunglück am Schrecksattel inden Berchtesgadener Alpen auch drei Skifahrer ums Leben gekommen. Dasschreckliche Unglück habe vor einem Jahr den Werdegang vielerFamilien erschüttert, sagte der katholische Ortsgeistliche HelmutBauer.
Auch Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) bekundete sein tiefesMitgefühl mit den Familien und Freunden der Opfer. «Diese Katastropheist nicht vergessen», ließ er durch die Staatskanzlei verbreiten. Essei schwer, Worte des Trostes für dieses furchtbare Schicksal zufinden.
«Bitte lasst Ruhe und Frieden einkehren», hatte einer derHinterbliebenen aus dem nahen Aufham schon vor dem Jahrestag gefleht.Allein aus diesem Dorf beklagen fünf Familien den Tod eines Kindesoder der Ehefrau und Mutter. Der Arbeiter war am Jahrestag weder inder Lage, an der Bauruine zu stehen noch am Trauermarschteilzunehmen. «Das verkrafte ich noch nicht», sagte der Mann, derungenannt bleiben will. Er nahm lediglich am Gottesdienst teil.
Auch für die Justiz ist der Fall längst nicht abgeschlossen. DieStaatsanwaltschaft Traunstein ermittelt wegen fahrlässiger Tötunggegen neun Verantwortliche, unter ihnen vier frühere Mitarbeiter derStadtverwaltung von Bad Reichenhall. Ein Ende der Ermittlungen stehtnach Auskunft von Oberstaatsanwalt Günther Hammerdinger zwarunmittelbar bevor. Doch erst dann entscheidet sich, ob Anklage gegeneinen oder mehrere Beschuldigte erhoben wird. So viel steht indesschon jetzt fest: Massive Mängel bei Planung und Bau der aus den 70erJahren stammenden Eissporthalle sind schuld am Einsturz des Daches.Bis zum Frühjahr wird das Gebäude komplett abgerissen. Nur noch einebescheidene Gedenkstätte soll dann an die Toten vom 2. Januar 2006erinnern.