Bahn-Unglück Bahn-Unglück: Auftritt der Gutachter beim Eschede-Prozess

Hannover/dpa. - Mit dem erstmaligen Auftritt von 13 internationalen Gutachtern ist der Prozess um die ICE-Katastrophe von Eschede in seine entscheidende Phase gegangen. In den nächsten Wochen sollen die Experten vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg klären, warum der Radreifen des Unglückszuges am 3. Juni 1998 brach und so das schwerste Zugunglück in der Geschichte der Bundesrepublik mit 101 Todesopfern auslöste. Der 30. Verhandlungstag am Mittwoch lief zunächst schleppend an, mehrfach unterbrach der Vorsitzende Richter Michael Dölp die Sitzung. Angeklagt sind in dem seit Ende August laufenden Prozess drei Ingenieure wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung.
Von den allesamt anwesenden Gutachtern aus Deutschland, Südafrika, Schweden, der Schweiz und Japan kam bis zum Nachmittag keiner zu Wort. Ihre Aussagen werden spätestens für diesen Donnerstag erwartet. Sie besichtigten lediglich einige Beweismittel. Die Kammer verhandelt auf Grund der großen Zahl von Beteiligten fortan im Schwurgerichtssaal in Hannover.
Richter Dölp mahnte die Prozessparteien zu einem fairen Verfahren. Es gebe Anzeichen, dass die «sachliche Basis des Prozesses aufzuweichen droht», sagte Dölp in einer Erklärung. Der Prozess biete keinen Platz für «Profilierungsgehabe».
Erneut versuchte der amerikanische Anwalt Ed Fagan auf das Verfahren Einfluss zu nehmen. Er vertritt eine bei dem Unglück verletzte Amerikanerin in den USA und will dort einen Schadenersatzprozess unter anderem gegen die Deutsche Bahn AG erreichen. Fagan, der in dem Prozess in Deutschland nicht als Anwalt zugelassen wurde, übergab der Kammer und der Staatsanwaltschaft einen Bericht der «Washington Post» vom Juni 1998. Daraus gehe hervor, dass auch US-Experten am Unglücksort gewesen seien. Außerdem habe die amerikanische Verkehrssicherheitsbehörde schon Anfang der 90er Jahre auf eine zu schwache Konstruktion der Fahrgastzelle des ICE im Falle eines Unglücks hingewiesen. Der ICE sollte auch in die USA verkauft werden.
Staatsanwalt Heiner Dresselhaus wies die Hinweise als nicht prozessrelevant zurück. Die Sicherheit der Fahrgastzelle spiele keine Rolle für das Unglück. Es sei «absolute Spekulation», dass es bei einer anderen Konstruktion des ICE weniger Todesopfer gegeben hätte.
