360-Grad-Video aus dem Riesen-Flieger Antonov AN 225: So sieht es im Innern des Flugzeugs aus - 360-Grad-Video vom Flughafen Leipzig/Halle

So müssen sich Filmemacher damals die Zukunft vorgestellt haben. Im Frachtraum der AN 225 wähnt man sich in einem Science Fiction Film aus den 80er Jahren. Rohre und Wände sind mit silbernen und grünen Folien verkleidet.
Dicke Stränge mit Kabeln, die unverkleidet aus der Wand kommen, ziehen sich über die komplette Länge des Frachtraumes, in den sogar komplette Flügel von Windkrafträdern oder 50 Busse hineinpassen würden. Hunderte von Hydraulikhaken, aufgerollte Ketten und Spanngurte zieren die Wände. In den glänzenden Metallboden sind Löcher eingelassen, um diese zu befestigen.
Antonov wurde ursprünglich für Transport von Raumfähre gebaut
Auch ein Blick in die aufgeklappte Nase wirkt wie der in das Innere einer Raumfähre. Kein Wunder, ist das Flugzeug doch 1988 ursprünglich für den Transport der sowjetischen Raumfähre Buran gebaut worden.
Allein das Öffnen ist ein Spektakel. Zuerst schraubt sich die Nase des Fliegers in nicht mal einer Minute nach oben, um den Blick auf den riesigen Frachtraum frei zu machen. Dann senkt sich der Riese mit den 32 Rädern ganz langsam immer weiter ab. Schließlich wird die Rampe ausgerollt. Sechs Besatzungsmitglieder braucht es dazu. Jeder öffnet Stück für Stück die Schrauben der Bodenplatten und klappt diese um.
Eine Seitentür und eine Metallwand gleich am Ende der Rampe erzählen von 30 Jahren AN 225. Daran prangen Aufkleber aus aller Welt. Ein orangener von der Singapur Airshow 1994, andere mit den Aufschriften: „Proud to be Hawaiian“ oder „Virginia is for Lovers“.
Ein runder blauer erinnert an den ersten Flug nach Australien. 20 000 Menschen sollen am Flughafen gewartet haben. Ein Flugclub aus Holland, ein Werbesticker für einen Airbus, einer vom Technikmuseum Speyer oder einer von der New Yorker Polizei – Besucher und Kunden der Airline haben sich hier verewigt. „Alle wollen Teil des Flugzeuges sein“, erklärt Flugmanager Evgen Kiwa. Die Antonov 225 ist eine Legende.
Ein anderer Sticker aus der US-Gemeinde Big Windy proklamiert: „Size does matter“ (deutsch: Größe ist wichtig). Kein anderes Statement könnte besser zu den Rekordmaschine passen.
Antonov AN 225 erst seit 2001 ein Frachtflugzeug
Die Antonov AN 225 ist ein echtes Unikat. Nur ein Exemplar wurde für das Raumfahrtprogramm gebaut. Als Frachtflugzeug wird die Antonov AN225 erst seit 2001 genutzt. 84 Meter lang, 89 Meter breit und 18 Meter hoch ist der Riese. Leer wiegt die Antonov 175 Tonnen, beladen bis zu 640 Tonnen. Riesige Ersatzräder mit über 1,20 Meter Durchmesser sind mit Spanngurten sind an den Seiten des Frachtraumes befestigt.
Anders als andere Flieger, muss die AN 225 nämlich ihre Ersatzteile immer dabei haben. Schließlich gibt es für das Unikat keine Teile an anderen Flughäfen. Zehn bis zwölf Techniker sind deshalb immer dabei. Das sei billiger, als immer zurück zur Basisstation zum Flughafen Kiew-Hostomel in der Ukraine fliegen zu müssen.
So sieht es im Inneren der Antonov AN 225 aus
Eine orangene Ausziehleiter aus Metall führt auf das Oberdeck. 16 Stufen, die bei jedem Schritt bedrohlich knarzen. Oben angekommen wähnt man sich im Bauch eines U-Bootes. Enge Gänge, waldgrüne Metallwände.
Nach rechts führt ein langer Gang zu einem Raum mit hellgrauen Schränken, in denen die Crew ihre Uniformen in schwarzen Kleidersäcken aufbewahrt.
Am Gang befinden sich zwei Nischen, in denen sich ausgeruht werden kann. Je zwei gegenüberliegende Lederbänke, in der Mitte ein Holztisch. Zum Schlafen kann dieser nach oben geklappt und die Bänke zu einer großen Liegefläche umgebaut werden.
Darüber kann noch eine zusätzliche Liege ausgeklappt werden. Dazu ein vergilbter Plastiktelefonhörer in der Wand eingelassen. Wohnwagen-Chic mit Bordtelefon. Ähnlich gibt sich auch die schmale Küchenzeile: eine Mikrowelle, Waschbecken und ein kleines
Regal mit Pappbechern und Instant-Kaffee.
Sechs Crewmitglieder bringen Antonov AN 225 zum Fliegen
Wem es im hinteren Bereich an Technik fehlt, der kann sich im Cockpit schnell im Schalter-Labyrinth verlieren. Hunderte von Knöpfen, Drehschaltern und Messgeräten zieren die Wände des vielleicht vier Meter langen Raumes.
Türkisfarbene Metallwände mit Instrumenten zum navigieren, steuern oder funken. „Alles hier ist mechanisch“, sagt der Pilot, der auch noch Dmitri Antonov heißt, aber nicht verwandt ist mit dem Flugzeugkonstrukteur. In dem 30 Jahre alten Riesenflieger wird fast alles per Hand gesteuert.
Sechs Crewmitglieder braucht es, um das Flugzeug zu fliegen: Pilot, ein Co-Pilot, ein Navigator, ein Radio-Operator, der für den Funk zuständig ist und zwei Flugingenieure. Jeder sei für einen Bereich verantwortlich, müsse aber im Notfall auch die anderen beherrschen.
Zwar würden immer wieder Einzelteile modernisiert, doch grundsätzlich werde alles mechanisch gesteuert, erklärt der Pilot. Seit 1993 hebt er mit dem Koloss ab. Selten natürlich, aber manchmal doch, fühle er sich beim Fliegen schon ein wenig, wie der König der Welt, gibt der 54-Jährige zu.
„Es braucht wohl acht Jahre, um das Flugzeug zu beherrschen“, sagt Flugmanager Evgen Kiwa, ein junger etwas stämmiger Mann mit Vollbart. Das sei schon etwas anderes, als ein moderner Airbus. „Ihr fliegt richtig, wir sitzen nur da und überwachen.“, hätten ihm einige Kollegen, die mit modernen Maschinen unterwegs sind, schon oft gesagt. Kiwa ist überzeugt: „Wenn man die AN 225 fliegen kann, kann man jedes Flugzeug fliegen.“
Das hat auch Evgen Bashynskyi gereizt. Mit nur 32 Jahren darf der glattrasierte dunkelhaarige Mann als Co-Pilot das größte Flugzeug der Welt fliegen. Schon als kleiner Junge hatte er Bilder der großen Antonov an der Wand im Kinderzimmer hängen.
Fünf Jahre ist er die etwas kleinere, aber immer noch riesige Antonov 124 geflogen, bis er schließlich zum Riesenfrachter wechselte. Ein Traum für ihn, gerade weil das Fliegen der Antonov 225 eine Herausforderung ist. „Das Flugzeug zu fliegen ist leichter, als es auf dem Boden zu fahren“, erklärt er.
Flugzeugdesigner Oleg Konstantinowitsch Antonow hatte schon 1946 mit dem Entwerfen der legendären Antonow-Flieger begonnen. Die AN 225 wurde auf Grundlage seiner AN 124 entworfen. Den Erstflug erlebte er nicht mehr mit. Er starb 1984.
Dass die Maschine aus seinem Haus nun seit 30 Jahren das größte und schwerste Flugzeug der Welt ist, hätte er sich wohl nicht träumen lassen. Es passt aber. Schließlich trägt die AN 225 den Beinamen „Mrija“. Auf Deutsch bedeutet das „Traum“. (mz)