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Ägypten Ägypten: Erlaubt der Islam Nacktheit beim Sex?

25.01.2006, 08:04
Es macht auch Spaß, wenn man nicht nackt ist: Lisa (Margot Stilley) und Matt (Kieran O'Brien) beim Liebesspiel an einem Strand im Kinofilm «Nine Songs». (Foto: dpa)
Es macht auch Spaß, wenn man nicht nackt ist: Lisa (Margot Stilley) und Matt (Kieran O'Brien) beim Liebesspiel an einem Strand im Kinofilm «Nine Songs». (Foto: dpa) Stardust

Kairo/dpa. - Ein konservativer Islamgelehrter aus Ägypten hat inseiner Heimat eine öffentliche Debatte über erlaubte und unerlaubte Sexualpraktiken ausgelöst, die vielen Menschen am Nil die Schamesröteins Gesicht treibt. Denn seit Scheich Raschad Hassan Chalil voreinigen Tagen in einer «Fatwa» (islamisches Rechtsgutachten) erklärthat, «dass eine Ehe ungültig wird, wenn sich die Partner beim Aktganz ausziehen», wird in Ägypten eifrig darüber diskutiert, was imheimischen Schlafzimmer legitim ist und was vielleicht als«unislamisch» gelten könnte.

Scheich Raschad, der die Debatte losgetreten hat, ist einehemaliger Dekan der Fakultät für Islamisches Recht an derrenommierten Kairoer Al-Azhar-Universität. Er beruft sich mit seiner«Fatwa» nicht auf den Koran selbst, sondern auf einen «Hadith» (einenüberlieferten Ausspruch des Propheten Mohammed), in dem aber keinekonkrete Strafe für Nacktheit erwähnt wird. Das macht es für dieanderen Religionsgelehrten des Landes einfacher, ihm zuwidersprechen.

Die unabhängige Kairoer Tageszeitung «Al-Masry Al-Yom» zitiertevergangene Woche Suad Saleh, Dekanin der Fakultät für Islamstudien ander gleichen Universität, die erklärte, außer Analverkehr sei denEhepartnern grundsätzlich alles erlaubt. Sie zitierte aus dem Koran:«Eure Frauen sind für Euren Genuss bestimmt, also genießt denBeischlaf, wie ihr es wollt.»

Scheich Abdullah Madschawir, der Sekretär des Fatwa-Komitees desAl-Azhar Islam-Instituts, zu dem auch die Universität gehört,bemerkte in der Zeitung aber einschränkend, das Ausziehen seizwar generell erlaubt. Der Ehemann solle seinen Blick aber nicht aufdas Geschlechtsteil der Frau richten. Außerdem sei Oralverkehr denMuslimen nicht gestattet. Zur Begründung für dieses Verbot erklärteer: «Gott hat den Menschen Würde gegeben, und die Frau soll nichtentweiht werden.»

Für viele Ägypter sind derartige Vorschriften ohnehin überflüssig.«Die Arbeiter auf meinem Bauernhof würden es ohnehin nie wagen,völlig unbekleidet Sex mit der eigenen Ehefrau zu haben», erklärt einLandbesitzer aus der Provinz Scharkija im ägyptischen Delta. «Sietreffen sich aber gerne mit anderen Männern, um auf denSatellitenfernsehkanälen nachts heimlich, wenn die Frauen nicht dabeisind, nackte Ausländerinnen anzuschauen.»

Modern denkende Muslime können über die Nacktheitsdebatte derweilnur den Kopf schütteln. Sie weisen im Gespräch mit Angehörigenanderer Glaubensrichtungen gerne darauf hin, dass der Islam imPrinzip nicht lustfeindlich sei. Auch betonen sie, dass dieSexualität in der Ehe im arabisch-islamischen Kulturkreis historischbetrachtet weniger mit Tabus belastet sei als in derchristlich-abendländischen Kultur.

Die Vizepräsidentin des ägyptischen Verfassungsgerichts, Tahanial-Gebali, findet die ganze Diskussion absurd. «Dieses angeblicheNacktheitsverbot hat mit dem islamischen Recht überhaupt nichts zutun», erklärt die Richterin, die sich in ihrer Studienzeit auchausführlich mit dem islamischen Recht («Scharia») befasst hatte. Sieist generell unzufrieden damit, dass sich in Ägypten viele islamischeReligionsgelehrte berufen fühlen, Rechtsgutachten auszusprechen,obwohl ihnen dies gar nicht zusteht. «Nur der Mufti der Republik unddas Fatwa-Komitee von Al-Azhar haben das Recht, ein Rechtsgutachtenzu verkünden», sagt sie streng, «wenn wir uns daran nicht halten,herrscht Chaos.»