Afrika Afrika: Khat-Droge statt Kaffee
Harar/dpa. - Alle Viertelstunde prasseln frisch gerösteteKaffeebohnen in die Auffangschale. Während die Maschine siegleichmäßig durchrührt, füllen aromatische Duftwolken den Raum. FethiIsmail greift eine Hand voll der heißen Bohnen und lässt sie in eineflache Korbschale gleiten, um ihre Qualität zu prüfen. «Kaffee ausHarar gehört zu den besten Kaffees weltweit», sagt er und zieht denDuft tief in die Nase ein. Die Nuer Rösterei in dem Städtchen imOsten Äthiopiens hat zwei Röstmaschinen, doch nur eine von ihnen istin Betrieb. «Immer mehr Kaffeebauern geben auf und steigen auf denAnbau von Khat um», sagt Ismail.
Die Fahrt in das mittelalterlich geprägte Harar führt mitten durchdas größte Khat-Anbaugebiet Ostafrikas. Die hellgrünen Schösslingeder Pflanze werden als Aufputschmittel gekaut. Vor allem inÄthiopien, Somalia und Jemen ist der Khat-Konsum so stark verbreitet,dass er massive Auswirkungen auf die Volkswirtschaft hat. Männersitzen nachmittags stundenlang zusammen, um frische Khat-Blätter zuzermalmen. Von der Kaudroge angeregt sind sie bis spät nachtshellwach und verdösen dann den ganzen Vormittag.
«Khat macht gute Laune, man fühlt sich in Form und redet gerne»,sagt Ismail, der selbst nur am Wochenende kaut. «Viele nehmen es, umden Hunger zu vertreiben.» Die Blätter schmecken anfangs bitter,später grasig. Man muss viel Wasser dazu trinken, sonst kratzt es imHals. Wer sich keine jungen Blätter leisten kann, knabbert zur Notauch die Rinde der dünnen Zweige ab. Marktfrauen in Harar verkaufendie Bündel wie große Blumensträuße, oft eingewickelt in duftendeEukalyptusblätter. Ein Kilo kostet zwischen 20 Cent und einem Euro,Exportware noch deutlich mehr.
Ismail sieht den Khat-Aufschwung mit Sorge. «Khat ist gefährlich,weil die Leute nicht mehr arbeiten. So wird unser Land nievorankommen», meint er. Aber er räumt ein, dass es den Kaffeebauernin den vergangenen Jahren schwer ergangen ist. «Die Preise sind immerweiter gefallen», sagt er. Zuletzt habe der Kilopreis bei 14 Centgelegen. Da lässt sich mit Khat mehr Geld verdienen.
Ma'awia Usman, ein 50-Jähriger, der den traditionellen Wickelrockund eine bestickte Kappe trägt, hat sich für den Anbau von Khatentschieden. «Es macht viel weniger Arbeit als Kaffee, und es ist eingutes Geschäft», sagt er. In der knapp 2000 Meter hohen Region wächstdie Pflanze besonders gut, selbst bei großer Trockenheit. Von seinenelf Kindern helfen ihm die größeren beim nächtlichen Pflücken undBündeln der Zweige.
Mit einem der knatschblauen Klappertaxis bringt er seine Ware zumMarkt nach Awaday, nahe bei Harar. Von dort fahren Lastwagen nachSomalia und Dschibuti - von wo die Blätter per Luftfracht bis nachEuropa und in die USA exportiert werden. Etwa eine Tonne geht täglichallein nach Großbritannien, wo viele Somalier, Äthiopier undJemeniten leben. In den meisten anderen europäischen Ländern ist dieKaudroge illegal.
Usman scheint mit seinem Leben zufrieden. Grüne Speichelreste inden Mundwinkeln zeigen, dass er die eigene Ware auch gerne selberkonsumiert. Der Kaffeeröster Ismail hat unterdessen wieder einenseiner Zulieferer verloren.