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Afghanistan Afghanistan: Skilaufen am Hindukusch

Von Farhad Peikar 15.04.2011, 10:58
Ferdinando Rollando (r.), ein italienischer Skilehrer, pausiert mit einer Gruppe afghanischer Kinder beim Aufstieg auf den Gipfel des Koh-e-Baba in der zentralafghanischen Provinz Bamiyan. (FOTO: DPA)
Ferdinando Rollando (r.), ein italienischer Skilehrer, pausiert mit einer Gruppe afghanischer Kinder beim Aufstieg auf den Gipfel des Koh-e-Baba in der zentralafghanischen Provinz Bamiyan. (FOTO: DPA) dpa

Bamian/dpa. - Sayed Ali Shah war fasziniert, als sich die seltsamgekleideten Männer und Frauen den schneebedeckten Hang zu seinem Haushoch kämpften. Menschen mit bunten Anzügen, klobigen Stiefeln undStöcken in Händen hatte der 17-Jährige in den Koh-e-Baba-Bergen imHerzen Afghanistans noch nicht gesehen. Auch dass die Gruppe zumSkilaufen in seine Heimatprovinz Bamian gekommen war, konnte er nichtverstehen. Diese Freizeitbeschäftigung war ihm gänzlich unbekannt.

Bis zu jenem Wintertag im Januar: Das Treffen mit den Sportlernhat Shahs Leben verändert, denn wenig später lud ihn der italienischeSkilehrer Ferdinando Rollando ein, an seinem Unterricht teilzunehmen.«Shah wollte nach Kabul gehen, um Ingenieur zu werden», erinnert sichRollando an die erste Begegnung. «Ich sagte ihm, dass es dort schonviele Ingenieure gibt, aber hier niemand als Bergführer arbeitet.»

Heute ist der junge Afghane Rollandos Assistent und von seinerneuen Aufgabe begeistert: «Ich will Skilaufen lernen und Trainerwerden, um es anderen Jungen aus unserer Gegend beizubringen.» ZuRollandos Gruppe gehören insgesamt 36 Jugendliche im Alter von 13 bis16 Jahren, die auf den Hängen rund um die Provinzhauptstadt Bamiantrainieren. Alle sollen einmal als Skilehrer, Bergführer oderMitglieder eines Bergrettungsdienstes arbeiten.

Der 49-jährige Italiener kam zu Jahresbeginn nach Afghanistan.Zuvor hatte er 20 Jahre lang in den Alpen gearbeitet. Seine Familiesei nicht begeistert gewesen. Doch ihn habe das Projekt gereizt.Angestellt ist Rollando bei einer Agentur, die mit internationalerEntwicklungshilfe den Tourismus in Bamian in Schwung bringen soll.

Bis zum Einmarsch der Roten Armee 1979 und dem Beginn desBürgerkriegs zog die 230 Kilometer nordwestlich von Kabul gelegenenRegion jährlich Tausende Besucher an. Attraktion waren vor allem zweigigantische Buddha-Statuen aus dem 6. Jahrhundert, die Anfang 2001von den radikal-islamischen Taliban zerstört worden waren. WenigeMonate später endete das Regime der Gotteskrieger, die unter derschiitische Hasara-Mehrheit von Bamian nie Rückhalt hatten.

Das ist einer der Gründe, weshalb die Provinz auch heute als diesicherste in Afghanistans gilt. Die wirtschaftlich Entwicklungallerdings kommt nur schleppend voran. Bamian ist noch immer arm.

Mit Hilfe des Ski-Projekts soll sich das ändern, denn Rollando undseiner Unterstützer hoffen auf zahlungskräftige Touristen. Die RegionBamian eigne sich «hervorragend» fürs Skilaufen, sagt der Italiener.Wochenlang seien die Hänge mit feinstem Pulverschnee bedeckt. «Einebessere Qualität lässt sich nur schwer finden.» Auch die meistenEinheimischen seien aufgrund der jahrelangen harten Arbeit auf denFelder und Bergweiden fit genug für eine Karriere auf Skiern.

Neben Sayed Ali Shah haben sich auch andere junge Leute vonRollandos Enthusiasmus anstecken lassen. «Skilaufen macht Spaß», sagtMurtaza Jahfari (14). «Außerdem kann man damit Geld verdienen.»

Trotz der recht guten Sicherheitslage sind die Herausforderungenfür das Projekt gewaltig. So gibt es keine zivile Flugverbindungzwischen Bamian und Kabul. Reisende sind bislang auf Maschinen derVereinten Nationen oder Charterflüge angewiesen. Die beidenwichtigsten Straßen in die Hauptstadt führen durch unsicheres Gebiet,in dem Kriminelle und Aufständische ihr Unwesen treiben.

Auch die touristische Infrastruktur im potenziellen Skigebiet istnoch nicht entwickelt. Nach jeder Abfahrt müssen Läufer wieder selbstauf den Berg steigen, denn Skilifte fehlen völlig. Zudem eignen sichdie wenigen traditionellen Restaurants kaum zum Après-Ski.

Doch Rollando ist optimistisch. Zunächst möchte er die vielenAusländer fürs Skilaufen begeistern, die in Kabul für Botschaften,Hilfsorganisationen und andere Arbeitgeber tätig sind. «Einige davonwollen nach einer harten Arbeitswoche unter massivemSicherheitsvorkehrungen vielleicht mal Dampf in Bamian ablassen.»