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11. September 2001 11. September 2001: «Leichen fallen vom Himmel»

Von Thomas Burmeister 29.08.2003, 14:02
Die Welt hielt erschüttert den Atem an, als Zehntausende Menschen am 11. September 2001 um ihr Leben kämpften. Die Notrufe aus dem brennenden World Trade Center wurden inzwischen veröffentlicht - gegen den Widerstand zahlreicher Hinterbliebener der fast 3000 Ermordeten. (Foto: dpa)
Die Welt hielt erschüttert den Atem an, als Zehntausende Menschen am 11. September 2001 um ihr Leben kämpften. Die Notrufe aus dem brennenden World Trade Center wurden inzwischen veröffentlicht - gegen den Widerstand zahlreicher Hinterbliebener der fast 3000 Ermordeten. (Foto: dpa) dpa

New York/dpa. - «Ich sehe dutzende Leichen, Leute springen von ganz oben runter, direkt vom World Trade Center», sagt eine männliche Stimme. «Leichen fallen vom Himmel...». Am anderen Ende der Leitung fragt eine Polizistin: «Leichen?» Wenige Tage vor dem zweiten Jahrestag der Terroranschläge auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 werden in den US-Medien erneut schreckliche Einzelheiten des Sterbens in den Zwillingstürmen veröffentlicht.

Das Leid vieler Opfer, letzte Worte dutzender Menschen kurz vor ihrem Tod waren in den Monaten nach den Anschlägen bereits anhand von Mitschnitten oder Gedächtnisprotokollen von Angehörigen und Freunden umfangreich dokumentiert worden. Jetzt wurden nach einem Rechtsstreit zwischen der «New York Times» und der staatlichen Hafenbehörde von New York, der das World-Trade-Center-Gelände gehört, insgesamt 260 Stunden an Mitschnitten zwischen todgeweihten Menschen in den Zwillingstürmen und Sicherheitskräften frei gegeben.

Medienvertreter stürzten sich auf die insgesamt rund 2000 Seiten lange Abschrift und die Kopien der Bänder, die für eine Gebühr von 500 Dollar abgegeben wurden. In den Redaktionstuben von US-Zeitungen machten sich Teams an die Auswertung. Zwar hatten sich die Empfänger des Materials schriftlich dazu verpflichten müssen, dass die Redaktionen Rücksicht auf die Gefühle der Hinterbliebenen nehmen würden. Doch die Tinte war noch nicht trocken, da prasselten die Grauen erregende Dialoge zwischen hoffnungslos eingeschlossenen Menschen und ratlosen Sicherheitskräften schon mit Vor- und Zunamen auf Hörer und Leser ein.

Immer wieder wurden Wortlautmitschnitte in den Sendern verlesen, am Morgen waren die Zeitungen voll davon. Boulevardblätter griffen die furchtbarsten Einzelheiten auf, seriösere Zeitungen beschränkten sich auf Dialoge ohne direkte Hinweise auf Tod und Vernichtung. Jeder Leser wusste ohnehin, was gemeint war.

«Sergeant Holland am Apparat.» «Ja, Sergeant. Hier Jeannie McIntyre. Ist mein Mann in dem Gebäude, das gerade eingestürzt ist?», fragt die Frau eines der Rettungskräfte. «Ja, also wir haben, wie soll ich sagen, wir haben keine Informationen», sagt der Sergeant. «So wie ich das verstehe, wird das grauenvoll, verstehen sie?»

Mindestens zwei Frauen, hieß es bei einem New Yorker Sender, «konnten zum Zeitpunkt ihres Anrufs bei der Polizei noch nicht wissen, dass sie bereits Witwen waren». «Wir bekommen hier keinerlei Hinweise auf einen Rettungsweg», hört man Christine Olender auf einem der Tonbänder sagen. Olender gehörte zu den Angestellten des Luxusrestaurants «Windows of the World» ganz oben im WTC. Sie starb zusammen mit mehr als 70 Mitarbeitern und mehr als 100 Gästen. «Wir brauchen Anweisungen, wo wir hingehen sollen», rief sie voller Verzweiflung in den Hörer.

Officer Steve Magget riet ihr vom Fahrstuhl ab und empfahl die Treppe. «Die ist auch voller Rauch», sagte der Olender. Der Beamte sagte, sie solle in zwei Minuten zurückrufen. Dann hatte sie Officer Ray Murray am Telefon. «Wo soll ich die Leute hinführen?». Murray sagte: «Wir schicken Hilfe, so schnell es nach menschlichem Ermessen möglich ist.» Olender klagte, dass es kaum noch atembare Luft gebe. Der Beamte sagte: «Sie müssen tun, was sie können, um irgendwie Luft zu kriegen.» «All right», waren Olenders letzte dokumentierte Worte.