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«Zum Edelacker» in Freyburg «Zum Edelacker» in Freyburg: Hauchdünnes Wildschwein

Von HANS-ULRICH KÖHLER 25.11.2011, 20:53

Halle (Saale)/MZ. - Ludwig der Eiserne führte sein Land offenbar mit harter Hand, wenn man der Sage glauben darf. Der Landgraf von Thüringen soll um 1170 gehört haben, dass seine Adligen im Unstrutland Bauern und Händler gar zu sehr knechteten. Er verbat sich das, aber als die Adligen davon nicht abließen, so wird behauptet, regelte er die Sache mit Gewalt.

Die geschlagenen Ungehorsamen wurden auf seine Burg Neuenburg verbracht und auf ungewöhnliche Weise bestraft. Ludwig spannte je vier vor einen Pflug und ließ sie den Acker hinter der Burg umbrechen. Seitdem heißt das Areal dort Edelacker, sagt die Sage. Und genau dort wurde 1996 das "Berghotel zum Edelacker" gebaut. Das ist ein nüchterner Bau, aber von seiner Restaurant-Terrasse bietet sich der wohl eindrucksvollste Blick, den man bei einem Dinner auf die umliegenden Weinberge des Unstruttals werfen kann.

Inmitten der Weinberge

So spielt natürlich auf der Karte des Restaurants Wein eine besondere Rolle. Die Winzervereinigung Freyburg bietet üppig Auswahl an Weißweinen. Weißburgunder, Gutedel, Silvaner, geerntet und gekeltet vor der "Haustür" des Restaurants. Die Flasche kostet ab 14,40 Euro bis maximal 35 Euro. Die hiesigen Weingüter Pawis, Thürkind und Herzer sind vertreten und natürlich ist auch Sekt aus der nahen Rotkäppchen-Kellerei dabei (maximal 25,50 Euro).

Beim Wein erfolgt der Start mit einem Experiment: Rotwein aus dem nördlichsten Qualitätswein-Anbaugebiet Europas. Der Blaue Zweigelt der Winzervereinigung (7,20 Euro der Schoppen) tritt an gegen den Blauen Zweigelt - beides 2010er - vom Weingut Thürkind (8,10 Euro). Beide erweisen sich als respektable Tropfen. Dass die hiesigen Rotweine nicht zur großen Form auflaufen können, liegt in der Natur der Sache und ist den Winzern hier nicht anzukreiden. Wer wissen will, wie ein Roter aus dem Norden schmecken kann, sollte es dennoch mal probieren.

Wildgerichte zur Herbstzeit

Bei den Weißen hat man an der Unstrut über die letzten zwei Jahrzehnte ein beachtliches Niveau erreicht. Die Winzer können sich nun getrost ein kleines Stück aufs Terrain der weißen Klassiker von Rhein und Mosel vorwagen. Der im Barrique ausgebaute 2009er Weißburgunder (35 Euro die Flasche) erwies sich jedenfalls als eine ausgezeichnete Wahl an diesem Abend, gleichwohl der Wein nicht ganz stilecht zum Wild ist. Herbstzeit ist auch im "Edelacker"-Resaurant Wild-Zeit. Das dreigängige Wild-Menü gibt es für 26,50 Euro. Rehschnitzel ist in der Karte vertreten, Wildschweinmedaillons, Sülze von Hirsch und Wildschwein, Rehrückenmedaillon, Mufflon, alles zwischen 12,80 und 19,80 Euro, allesamt günstige Angebote. Die Wahl fällt schließlich auf die Roulade von der Hirschkeule, dazu Pfifferlinge, Heidelbeerrotkohl und Brezelknödel, eine sehr rustikale Sache (18,10 Euro). Die Perlhuhnbrust im Schinkenhemd, gefüllt mit Preiselbeeren, gibt das Kontrastprogramm und weckt Neugier: Maroni-Mus ist angezeigt auf der Karte, "Kartoffelbrei" mit dem Geschmack von Kastanien also. Und die Vorspeise? Zu empfehlen ist gleichfalls Wild, denn diese Variation gibt es nicht allzuoft: Carpaccio vom Wildschweinrücken im Kräutermantel, dazu Pinienkerne, Parmesan und Rucola (9,80 Euro). Dazu noch ein Auftakt ohne Wild: gratinierte Melonenscheiben mit Ziegenkäse und Blütenhonig (macht 6,50 Euro). Das hauchdünne Wildschwein erweist sich als die bessere Wahl. Lecker, würzig, herzhaft, gut portioniert. Bestens gewürzt der Kräutermantel, sehr schön, sehr überraschend - vielleicht das Erlebnis des Abends auf dem Berg über der Unstrut.

Die gratinierten Vorspeise-Melonen versprühen einen wunderbaren Duft, nur hätte die Portion gern halb so groß sein dürfen. Und vier große Schinkenscheiben plus reichlich Salat dazu sind einfach zuviel des Guten, das erschlägt beim Aufgalopp. Dem Ziegenkäse - vier Scheiben - hätte eine ansehnlichere Präsentation gut getan, schön sieht anders aus.

Leckeres Maroni-Mus

Brezelknödel? Ja, ist auf Nachfrage zu erfahren, die werden aus Brezeln gemacht, aufgeweicht, geformt und gewürzt. Danach sind sie dem Speckknödel näher als dem Semmelknödel, eine sehr kompakte, sehr feste Sache, mit der man sich erst anfreunden muss. Würde man die wieder bestellen?

Die Hirsch-Roulade indes ist ein Gedicht. Wildgeschmack vom Allerfeinsten, weich, auf den Punkt zubereitet, dezent genug und nicht herb alles überlagernd. Das verträgt sich ganz ausgezeichnet mit der deutlichen Süße der Heidelbeeren im Rotkohl, ein fabelhafter Kontrapunkt.

Das Perlhuhn im Speckmantel hinterlässt Fragen: Ziemlich trocken das Ganze, der Speckmantel hat die Grenze zur Knusprigkeit hinter sich gelassen, gut austariert die Süße der Preiselbeeren im Inneren. Das Maroni-Mus verdient sich im Edelacker Extrapunkte, schön gemacht, vorzüglich der leichte Kastaniengeschmack. Vollkommen wäre es gewesen, wenn das Mus warm auf den Teller gekommen wäre, schade.

Lockende Wege zum Wein

Beim Dessert meint es das Haus auf dem Acker der Edlen dann wieder besonders gut. Preiselbeeren sind in Herbstzeiten der Renner, also schmücken sie auch die Crepes mit Walnusseis. Lecker, lecker! Noch leckerer schmecken warme Crepes. Und, liebes Küchenteam: Man isst doch, um zu genießen beim Finale, nicht um sich mästen zu lassen mit feinem Dessert. Also: Weniger ist mehr, bitte!

Wer nach dem Essen allerdings das Bedürfnis hat, sich die Beine zu vertreten, ist hier goldrichtig. Erbauliche Wege führen vom Hotel hinaus in die Weinlandschaft, wo am Abend das Edelacker Hotel Quartier anbietet. Das lockt seine Gäste mit Vier-Sterne-Komfort über dem Unstruttal und einem Restaurant, das der Gast nicht unzufrieden verlässt.

Adresse: Hotel "Zum Edelacker", Schloss 23, 06632 Freyburg

Telefon: 034464 - 350

Öffnungszeiten: Sonntag - Donnerstag von 11 bis 22 Uhr, Freitag und Sonnabend 11 - 23 Uhr

E-Mail: [email protected]

Hauptgerichte 12,80 bis 19,80 Euro, offener Wein ab 3,45 Euro, Flasche ab 14,40 Euro