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Zentralstadion in Leipzig Zentralstadion in Leipzig: Rekord mit Bach und Blech

Von Alexander Schierholz 01.06.2008, 18:28

Leipzig/MZ. - Einen solchen Chor hat Jörg-Michael Schlegel noch nicht dirigiert. Der Landesposaunenwart aus dem sächsischen Zwenkau steht am Sonntag auf dem Rasen des Leipziger Zentralstadions, direkt vor dem Nordtor. Damit man ihn besser sieht im weiten Rund, wird sein Bild auf eine Großleinwand übertragen. Knapp 16 000 Bläser folgen seinen Kommandos: Es ist der weltgrößte Posaunenchor, der beim Abschlussgottesdienst des Deutschen Evangelischen Posaunentages auf- und sich damit ins Guinness-Buch spielt.

Ein Rekord ist das, den die mehr als 19 000 angemeldeten Teilnehmer des bundesweiten Bläsertreffens im doppelten Sinne spielend aufstellen konnten - die bisherige Bestmarke lag bei 289 Bläsern. So ist sich denn auch Martin Schrage schon am Tag vorher ganz sicher, dass es klappen wird mit dem neuen Weltrekord: "Natürlich", sagt der 44-Jährige und lacht, "muss ja."

Schrage ist von der Bachstadt in die Bachstadt gekommen - "Posaunenchor Mit Bach & Krach Köthen" ist auf seinem blauen Polohemd zu lesen. Es ist Sonnabendnachmittag, er hört vor dem Museum der bildenden Künste in der Innenstadt sichtlich entspannt der Swing-Nummer zu, die mehrere Musiker gerade hinlegen. Später wird Schrage selber wieder zu seiner Posaune greifen, zum abendlichen Serenadenkonzert auf dem Augustusplatz.

Dort ist der Posaunentag am Mittag unter dem Motto "Ohrenblickmal" mit einem gemeinsamen Konzert aller mehr als 2 000 teilnehmenden Chöre eröffnet worden. Dabei stehen Musikanten und Zuschauer dicht an dicht zwischen Oper und Gewandhaus, so voll war es hier zuletzt beim Public Viewing während der Fußball-WM vor zwei Jahren. Von insgesamt 30 000 Menschen zur Eröffnung sprechen die Veranstalter. "Eine Wucht, mit so vielen Leuten zusammen zu musizieren!", schwärmt Martin Schrage.

Darauf haben er und die anderen Chor-Mitglieder sich wochenlang vorbereitet. Schon im März waren die Unterlagen mit den gemeinsam zu spielenden Stücken - darunter von Bach und Mendelssohn Bartholdy - verschickt worden. "Seitdem haben wir intensiv geprobt." Zusätzlich zu den Großkonzerten verwandeln die Chöre mit parallelen Auftritten auf mehreren Bühnen die Leipziger Innenstadt am Sonnabend in eine einzige große Freiluft-Konzertarena - überall tutet, bläst, röhrt und swingt es.

Bernd Donat allerdings hat seine Posaune beiseite gelegt. Der 53-Jährige dreht stattdessen das Glücksrad an der Bühne der Föderation Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland (EKM), schon von weitem zu erkennen an seinem schwarzen Zylinder mit dem Kürzel "EKM". Berufskleidung - im richtigen Leben ist der Leiter des Posaunenchores aus dem 500-Einwohner-Dörfchen Görschen im Burgenlandkreis Schornsteinfeger.

"Ich bin wichtig", frotzelt er, "ich sammele das Geld ein" - ein Euro pro Dreh, für die Posaunenarbeit in Litauen. Seine Frau Monika verteilt die Gewinne - Thüringer Bratwurst, Saale-Unstrut-Wein, Lauchaer Apfelsaft und Baumkuchen aus Salzwedel. "Die Leute sollen ja unsere Region kennen lernen", sagt sie. Und erzählt am Beispiel ihrer fünf Kinder, welchen Wert das gemeinsame Musizieren habe. Bis auf den jüngsten Sohn seien alle längst aus dem Haus, "aber sie spielen überall in Posaunenchören und haben da sofort Anschluss gefunden".

So ist das Bläsertreffen von Leipzig nicht nur ein riesiges Volksfest und ein Konzertereignis, sondern irgendwie auch ein großes Familientreffen. Eines, das vielleicht bald wiederholt wird. Vor Leipzig hatte es den letzten gesamtdeutschen Posaunentag 1956 in Dortmund gegeben. "Auf den nächsten warten wir nicht noch einmal 50 Jahre, der kommt schneller", sagt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, der beim Abschlussgottesdienst am Sonntag die Predigt hält.