Weihnachtsbrauch Weihnachtsbrauch: Der Klaasbur geht um
Halle (Saale)/MZ. - Himmel und Erde berühren sich in der Altmark zu jeder Jahreszeit. Sehr romantisch zeigt sich die weite Landschaft, wenn Schneehauben Dörfer, Wiesen und Felder verhüllen. Im winterlichen Weiß setzen sich die roten Backsteine der romanischen und gotischen Bauten in Salzwedel und Stendal, in Tangermünde und Gardelegen oder die Klöster Jerichow und Arendsee besonders prächtig in Szene. Der schöne Norden Sachsen-Anhalts ist reich an Zeugnissen der Geschichte und mittelalterlicher Architektur. "Auch jetzt verleugnen die altmärkischen Städte ihre frühere Bedeutung keineswegs", notierte Theodor Fontane (1819-1898), während seiner Wanderung 1859 durch die Altmark. Tangermünde hat der Dichter in seiner 1880 erschienenen Novelle "Grete Minde" verewigt. Eine kurze Schilderung widmete er darin einem für seine Titelfigur wenig erfreulichen Christfest.
Um mehr über weihnachtliche Sitten und Traditionen der Altmark zu erfahren, lohnt ein Besuch im Hansjochenwinkel. Woher die Bezeichnung der Gegend zwischen Salzwedel und Diesdorf stammt, ist nicht genau geklärt. Die Einheimischen sprechen vom "Hanschomwinkel". Eigentümlich wie dieser Name sind auch einige Bräuche. Wenn man zu Weihnachten aus dem Schlaf erwachte, war es üblich, ein Gesangbuch aufzuschlagen und beiseite zu legen. Erst am Morgen wurde der Liedertext angesehen und daraus das künftige Schicksal gedeutet. Auch haben sich zur Weihnachtszeit in der Altmark wunderliche Gestalten herumgetrieben. Zu Nikolaus, heißt es, gingen "Klaasbur", "Buurklas" und "Pelzmärte" um.
Chronisten aus Dähre, Dambeck, Kricheldorf, Vietzen, Lüge, Algenstedt und Schenkenhorst berichten von Mummenschanz, von schrecklichen Gestalten mit Schafspelzen und Flachsbärten, die artige Kinder mit Äpfeln, Nüssen und Honigkuchen belohnten und andere die Rute spüren ließen.
Im Drömling zwischen Altmarkkreis und Niedersachsen sowie im Kalbeschen Werder, dem Herz der Altmark an der Milde, war am Weihnachtsabend der "Aschkerl" unterwegs. Von ihm wird berichtet, dass er ungezogene Kinder in den Aschesack gesteckt und auf die Straße getragen haben soll. So manches Kind habe danach kein Auge schließen können. Zu groß war die Neugier auf den kommenden Morgen. Denn Bescherung war in dieser Gegend nicht am Heiligen Abend. Nur die Tiere erhielten abends eine Extraportion Heu, und für den Weihnachtsmann wurde ein Kuchenteller hingestellt.
Mancherorts wurde in der Christnacht in die Bäume geschossen, damit sie im nächsten Jahr reiche Ernte tragen. Erst wenn am ersten Feiertag um fünf Uhr die Glocken das Fest einläuteten und zur Christvesper riefen, wurden bescheidene Geschenke wie geschnitzte Pferdchen, kleine Strickpüppchen, Socken, Schals und Handschuhe verteilt. Für Kinder, die zur Osterzeit des kommenden Jahres in die Schule kamen, lagen Schiefertafeln, Griffel, Fibeln und manchmal auch ein Ranzen unter dem Tannenbaum bereit.
Nach dem weihnachtlichen Kirchgang kam in der Altmark "Bremminskaschoa" auf den Tisch. Für diese Branntweinkaltschale wurde selbst gebackener Honigkuchen zerkleinert und mit Branntwein oder Korn übergossen. Dazu gab es gebratene Rotwurst.
Weihnachtstraditionen der Altmark und das Alltagsgeschehen des 17. bis 19. Jahrhunderts werden im Freilichtmuseum Diesdorf in der nordwestlichen Altmark lebendig. Es ist die älteste Einrichtung dieser Art in Deutschland. Auf sechs Hektar Fläche sind historische Wohn- und Wirtschaftsgebäude rund um einen Dorfteich angeordnet. Alljährlich zum dritten Advent, so auch 2010, wird zum historischen Weihnachtsmarkt eingeladen und im historischen Backhaus der Ofen mit Reisig angeheizt. Bald duftet es dann nach Weihnachtsplätzchen, die hier Kinder mit ihren Eltern backen können.
Mit dem Backhaus aus dem 18. Jahrhundert legte der Diesdorfer Landarzt Georg Schulze 1912 den Grundstein für das Bauernhausmuseum, um gefährdete altmärkische Baukultur zu bewahren. Inzwischen stehen hier mehr als 20 Höfe, die im Advent festlich geschmückt werden. Im Speicher sind Krippen aufgebaut, das Spinnrad surrt, es wird gewebt und altes Handwerk demonstriert. An die Bescherung von einst wird in der Bauernstube erinnert. Ein Tannenbaum ist mit Äpfeln, Nüssen und Rosinenketten geschmückt, und auf dem Tisch liegen Geschenke, wie sie üblich waren in den bäuerlichen Familien der Altmark.
Im Buch "Advent, Advent" aus dem Verlag Janos Stekovics beschreibt der Autor Ernst Krziwanie weitere Bräuche der Weihnachtszeit zwischen Altmark, Unstrut, Harz und Fläming. Es kostet 14,80 Euro.