Verkehr Verkehr: ICE-Neubaustrecke nimmt immer mehr Gestalt an

Halle (Saale)/Leipzig/Erfurt/dpa. - Zum Greifen nah scheint die Brückeüber den Einfamilienhäusern in Karsdorf im Süden Sachsen-Anhalts zusein. Selbst vom Friedhof des kleinen Ortes im Burgenlandkreis ausist der Rohbau mit seinen meterhohen Pfeilern nicht zu übersehen.Erst jetzt, wo die Brücke und andere Bauwerke immer mehr Konturenannehmen, werden die Dimensionen der 2,8 Milliarden Euro teurenICE-Neubaustrecke Erfurt-Halle/Leipzig für jedermann deutlich. Zwardauert es noch einige Zeit, ehe die ersten schnellen Züge über dieBrücke sausen werden, doch die Arbeiten schreiten voran.
«Wir liegen voll und ganz im Plan, bei den meisten Bauwerkensogar vor Plan», sagt Projektleiter Olaf Drescher. Rund 60 Prozentseien fertig gebaut. Die Arbeiten an den Tunnelbauten sollten Endedieses Jahres abgeschlossen sein: der Finnetunnel als der größte aufdem ICE-Neubauabschnitt, der Bibratunnel und der Osterbergtunnel.
Die durch Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen führende 123Kilometer lange Neubautrasse Erfurt-Halle/Leipzig ist Teil des rundzehn Milliarden Euro teuren Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr.8, dessen Projektchef Drescher ist. Das Vorhaben sieht den Aus- undNeubau der 500 Kilometer langen Bahnstrecke alsHochgeschwindigkeitsverbindung zwischen Nürnberg nach Berlin vor.Ziel ist, die Fahrtzeit zwischen München und der Bundeshauptstadtvon ehemals acht (1992), heute sechs, auf künftig vier Stunden zuverringern. Die gesamte Aus- und Neubaustrecke zwischen den beidenMetropolen soll bis 2017 fertig sein.
Ob Brücken oder gigantische Tunnel: die Baustellen derICE-Neubautrasse Erfurt-Halle/Leipzig durch drei Bundesländer sindnicht nur ein Hingucker für die Anwohner sondern auch ein fürVerkehrstouristen. Es gibt für sie ein Informationszentrum inHerrengosserstedt an der Landesgrenze von Sachsen-Anhalt undThüringen, wo anschaulich das Bahnprojekt erläutert wird.
«Ich finde, die Brücke, das ist hier fast so wie in Amerika, soschön weit alles», schwärmt zum Beispiel Veronika Wagner, die mitihrem Mann die Weinbauregion im Saale-Unstrut-Tal mit dem Fahrraderkundet und einen Abstecher nach Karsdorf gemacht hat, um sichselbst ein Bild zu machen.
Weniger begeistert sind Naturschützer etwa aus Halle von denbleibenden Einschnitten in die Landschaft. Sie sorgen sich trotzaller Auflagen an die Bauherren zum Beispiel um Vogelbrutgebiete inder Nähe der künftig rund 8,5 Kilometer langenSaale-Elster-Talbrücke, ein weiteres nicht zu übersehendes Bauwerk,das vor den Toren von Halle entsteht. Der Verkehrsprojektleiterversichert: «Wir haben eine sehr konstruktive Zusammenarbeit mit denUmweltbehörden und Umweltverbänden».
Ende 2015 soll die ICE-Neubaustrecke Erfurt-Halle/Leipzig fertigsein. «Im Moment gehen wir davon aus, dass auf dieser Strecke proTag 80 Güterzüge pro Richtung fahren und 44 ICE. In der Summe sinddas 120 bis 130 Züge pro Tag und pro Richtung», sagt Drescher.
Das Umweltbundesamt (UBA) hält die ICE-Neubaustrecke von Nürnbergüber Erfurt und Leipzig nach Berlin für verkehrspolitisch unsinnig.Für den Klimaschutz müsse mehr in den Schienengüterverkehrinvestiert werden, heißt es in einer Studie. «An dieser Position hatsich nichts geändert», sagt ein Sprecher in Dessau-Roßlau. Das vomUBA in Auftrag gegebene Gutachten «Schienennetz 2025/2030» kam unteranderem zu dem Schluss, dass das Verkehrsprojekt Deutsche EinheitNr. 8 für den Güterverkehr praktisch nutzlos ist.
Vielmehr müssten in Deutschland rund elf Milliarden Euroinvestiert werden, um das Schienennetz innerhalb der nächsten zweiJahrzehnte so auszubauen, dass darauf im Vergleich zu heute diedoppelte Gütermenge transportiert werden. Gleichwohl forderte dasUmweltbundesamt aber nicht, auf das ICE-Projekt für denPersonenverkehr zu verzichten, da Zugreisen umweltfreundlicher alsReisen mit dem Auto oder Flugzeug sei.
