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Unterbringung in Tröglitz Unterbringung in Tröglitz: Gespanntes Warten auf die Flüchtlinge

Von Alexander Schierholz 25.05.2015, 17:40
Wollen helfen: Marco Schmeißer, Steve Zimmermann und Martin Thum (v. l. ) von der Feuerwehr
Wollen helfen: Marco Schmeißer, Steve Zimmermann und Martin Thum (v. l. ) von der Feuerwehr Andreas Stedtler Lizenz

Tröglitz - „Ich finde es schrecklich, was da passiert ist. Ich frage mich, wo die Flüchtlinge unterkommen sollen und wie sie jetzt leben sollen.“ - „Sie kommen aus einem Land, wo Krieg ist, da hat man doch Mitleid.“ - „Wenn ein fremdes Kind in die Klasse kommen würde, dann hätte ich es nicht links liegen gelassen, sondern hätte mit ihm geredet oder ihm etwas gezeigt und erklärt.“

Meinungen von Viertklässlern der Grundschule Tröglitz, gesammelt auf einer Schautafel im Schulflur. „Bisher“, sagt Schulleiterin Heike Schade, „war Migration überhaupt kein Thema für uns.“ Spätestens seit dem Brandanschlag auf die künftige Asyl-Unterkunft in der Nacht zum Ostersonnabend ist das anders. Die Zitate stammen aus den ersten Tagen nach der Brandnacht, als es in der Schule und in dem 2 700-Einwohner-Ort bei Zeitz kein anderes Thema gab.

Thema muss in den Alltag integriert werden

Mittlerweile sei es ruhiger geworden, sagt Schade, 54. Ihr ist vor allem wichtig, dass das Thema in den Alltag integriert wird: „Wir müssen den Schülern vermitteln, dass es normal ist, wenn Kinder aus fremden Ländern mit in der Klasse sitzen.“

Wie viele Kinder, in welchem Alter, das ist nach wie vor offen. Fest steht nach Angaben des Landratsamtes bisher nur, dass Familien in Tröglitz untergebracht werden sollen. Wie viele es anfangs sein werden? „Das hängt davon ab, wie viele Wohnungen wir kurzfristig anmieten können“, sagt Landrat Götz Ulrich (CDU). Eine Entscheidung darüber soll nach MZ-Informationen voraussichtlich in dieser Woche fallen. Am Zeitplan hält Ulrich fest: Anfang Juni sollen die ersten Unterkünfte bezogen werden. Einen genauen Ankunftstermin mag er aber nicht preisgeben: „Ich möchte keinen erneuten Medienrummel.“

Deutsche Sprache ist Voraussetzung

Also warten sie weiter in Tröglitz, in der Schule, bei der Feuerwehr. Die Idee, Flüchtlingskinder in die Kinder- und Jugendfeuerwehr zu integrieren, war schnell geboren. „Da waren wir uns alle einig“, sagt Ortswehrleiter Marco Schmeißer, 37. Auch Erwachsene seien willkommen. „Wir sind froh über jede Verstärkung.“ Wer bei Einsätzen aktiv sein wolle, müsse wie jeder andere den obligatorischen Tauglichkeitstest, einen medizinischen Komplett-Check plus Fitnesstest, bestehen. Und deutsch sprechen, betont Schmeißer. „Ohne geht es nicht. Wir müssen schnell und sicher kommunizieren können.“

Und da beginnen auch schon die Fragen: Wie steht es mit den Sprachkenntnissen der Neubürger? Können Asylbewerber ohne weiteres bei der Feuerwehr-Unfallkasse pflichtversichert werden? Fragen, die sich wohl erst in jedem Einzelfall werden klären lassen, wenn die Flüchtlinge angekommen sind. Und wenn sie überhaupt Interesse haben an der Feuerwehr, am Sportverein, der auch Angebote zum Mitmachen unterbreiten will. „Wir können“, sagt Martin Thum, der Kinder-Feuerwehrwart in Tröglitz, „ja bloß die Hand reichen.“

Wichtige Details sind noch zu klären

Viele wollen das tun. Landrat Ulrich berichtet von Paten aus dem Ort, die für die ersten Familien bereitstehen. Sie sollen die neuen Nachbarn an die Hand nehmen, sie zu Behörden begleiten, zum Einkaufen, zum Arzt oder zum Verein. Im Burgenlandkreis sind sie damit weiter als beim Land. Dort heißen die Paten „Integrationslotsen“. Sechs Wochen ist es her, da hatte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) die freiwilligen Helfer angekündigt. Nun heißt es aus dem Innenministerium, es würden „die konkreten Voraussetzungen für eine Unterstützung der Landkreise und kreisfreien Städte geprüft“, es seien „noch einige wichtige Details“ zu klären. Genauer wird das Ministerium auch auf Nachfrage nicht.

Sechs Wochen ist es auch her, dass Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) den Schulen in Sachsen-Anhalt eine wichtige Rolle beim Schaffen einer „Willkommenskultur“ im Land zugesprochen hatte. Wie die konkret aussehen soll? An den entsprechenden Konzepten wird noch gearbeitet, „mit Hochdruck“, wie das Ministerium versichert. So sollen Schulleitern vor Beginn des neuen Schuljahres Fortbildungen angeboten werden, in denen es etwa um Rechtsgrundlagen und Fördermöglichkeiten geht. Ein Projekt, das Schulen und Migrantenorganisationen beraten und einschlägige Unterrichtsangebote und -materialien entwickeln soll, wird gerade vorbereitet. Es klingt, als sei noch eine Menge zu tun.

Fühlen Sie sich vom Land ausreichend unterstützt, Herr Ulrich? Der Landrat sieht es pragmatisch. Er könne den Innenminister jederzeit anrufen, sagt er, „aber er ruft nicht jeden Tag hier an“. Das sei auch nicht notwendig. „Vor Ort bin ich als Landrat verantwortlich. Unsere Probleme müssen wir schon selber lösen.“

Integration als Thema in allen Klassenstufen

Auch Heike Schade, die Leiterin der Grundschule, kümmert sich selbst. Sie hat sich ausgetauscht mit der Integrationsbeauftragten des Kreises, sie weiß jetzt, welcher Verein welche Angebote unterbreitet, wenn es um die Integration von Flüchtlingen geht. Sie weiß, wen sie fragen muss, wenn sie Hilfe braucht. „Wir wollen Integration zum Thema in allen Klassenstufen machen.“ Nur konkrete Pläne für das Schuljahr gibt es noch nicht. Das ist der Zeit geschuldet - in sieben Wochen beginnen die Sommerferien -, aber auch der Ungewissheit, wer da kommt und wann.

„Miteinander - füreinander“ heißt ein Bündnis von Tröglitzer Bürgern, das sich gegründet hat, um die Flüchtlinge willkommen zu heißen. Auch diese Initiative hat zahlreiche Ideen, unter anderem ein Begegnungscafé. Mit Einzelheiten will sie aber erst nach der Ankunft der Asylbewerber an die Öffentlichkeit treten. Die Begründung liefert Markus Nierth, der ehemalige Ortsbürgermeister: „Es ist wichtig“, sagt er, „dass Tröglitz erst einmal wieder zur Ruhe kommt“.

Nierth war es, der mit seinem Rücktritt Anfang März die internationale Aufmerksamkeit auf sich und den Ort gezogen hatte. Er hatte sich nicht ausreichend geschützt gefühlt vor Neonazis, die vor seinem Haus vorbeimarschieren wollten. Manche im Dorf kreiden ihm seine Entscheidung an. Sie werfen ihm vor, damit die Unruhe erst geschürt zu haben. Auch das ist ein Grund für Nierths Zurückhaltung: „Wenn ich mich jetzt äußere, heißt es wieder, der will sich nur in den Vordergrund spielen. Das möchte ich nicht.“ (mz)

Die in Brand gesteckte Asyl-Unterkunft wird mit Kameras überwacht.
Die in Brand gesteckte Asyl-Unterkunft wird mit Kameras überwacht.
Andreas Stedtler Lizenz
Die Grundschule ist auf Flüchtlingskinder eingestellt.
Die Grundschule ist auf Flüchtlingskinder eingestellt.
Andreas Stedtler Lizenz