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Tourismus Tourismus: Klöster werben um mehr Besucher

Von ANTONIE STÄDTER 19.06.2009, 17:42

DRÜBECK/MZ. - So kalt, dass sie in der unbeheizten Klosterkirche mitunter mit drei Wärmflaschen saß. Die Frau aus dem niedersächsischen Wolfenbüttel erzählt das mit einem herzhaften Lachen. "Es ist ja gerade die Einfachheit, die einem hier dabei hilft, die Dinge des Alltags für sich zu ordnen - während man im Alltag selbst oft einfach nur funktioniert." Nun ist sie wieder in das Kloster gereist, zu Einkehrtagen im dortigen "Haus der Stille". Da wird in der Gruppe meditiert, gesungen und getanzt, geredet - aber öfter noch geschwiegen - und nach klösterlicher Tradition mehrmals täglich gebetet. Da kommen einander wildfremde Menschen unterschiedlichen Alters und Berufs zusammen, die laut Pfarrerin Brigitte Seifert eines verbindet: "Sie alle verspüren eine Sehnsucht - sei es nach Stille, einer Auszeit aus dem stressigen Beruf oder einer Vertiefung in ihrem christlichen Glauben." Nach der Konfession wird nicht gefragt.

Wenn das Lebenstempo steigt, wächst der Wunsch nach Besinnung und "Entschleunigung", der wiederentdeckten Langsamkeit. "Das, was früher der Feierabend war - zum Beispiel in der Natur unterwegs zu sein, um von der Arbeit nach Hause zu gelangen, oder draußen zu sitzen und dem Sonnenuntergang zuzusehen - fällt heute flach", so die Pfarrerin. Also braucht es einen Ausgleich: "Manche gehen joggen oder angeln, andere suchen sich Orte des Rückzugs." Wie das Kloster in Drübeck, das passenderweise in einem Funkloch gelegen ist.

Mehr als 1 000 Jahre alt sind die Mauern des romanischen Prachtbaus. In seiner Blütezeit lebten hier bis zu 50 Nonnen nach den strengen Vorgaben des heiligen Benedikt von Nursia. Nach der Reformation wurde das Kloster in ein Damenstift umgewandelt. Mitte des vorigen Jahrhunderts kam das Klosterleben endgültig zum Erliegen. Das Kloster wurde zum Erholungsheim. Nach einem umfangreichen Ausbau ab Mitte der 90er Jahre ist es nun Tagungszentrum der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Gästehaus und Veranstaltungsort. Mehrere mittelalterliche Gärten laden zum Verweilen ein. Im Hof können die Besucher im Schatten der Klosterlinde sitzen, die beinahe 300 Jahre alt ist.

Ein Ort, der die 52-jährige Annette Prüße immer wieder fasziniert: "Es ist etwas Besonderes, zu spüren, wie viele Generationen schon vor mir hier inmitten der alten Mauern saßen." Damit ist sie nicht allein. "Das ist ein Ort der Kraft und Schönheit", schwärmt die 73-jährige Käte Baatz aus Dessau-Roßlau. Sie möchte hier neue Energie für den Alltag gewinnen.

Die Teilnehmer der Einkehrtage würden sich wohl nicht als Touristen im klassischen Sinne bezeichnen. Doch das Angebot, das sie wahrnehmen, gehört zu jenen Aktivitäten der Klöster in Sachsen-Anhalt, die unter dem Titel "Spiritueller Tourismus" künftig ausgebaut werden sollen - vergleichbar etwa mit Projekten wie der Straße der Romanik oder Gartenträume. Im Unterschied dazu soll aber keine neue Tourismusroute entstehen, sondern das bestehende Angebot ausdifferenziert und unter dem gemeinsamen Begriff beworben werden. Er umschreibt neben dem Klosterurlaub etwa auch die immer beliebter werdenden Pilgerreisen. Dieser Ansatz wird vom Land bereits seit dem Jahr 2005 verfolgt.

Das Wirtschaftsministerium hat erst kürzlich von Wissenschaftlern der Universität Halle eine Studie anfertigen lassen, in der touristische Konzepte für 50 Klöster im Land entwickelt wurden. "Der spirituelle Tourismus hat in Sachsen-Anhalt eine große Chance", sagt der Professor für Religionspädagogik, Harald Schwillus, der die Studie betreut hat. Und er ist auch eine Chance. Schließlich kann das Land Besuchern und auch Einheimischen mit mehr als 140 Klosterbauten einen reichen Schatz an spirituellen Traditionen aufzeigen. Dies gilt es in die Welt zu tragen.

"Diese authentische Glaubenstradition, die es an diesen Orten gibt, ist ein Alleinstellungsmerkmal", sagt die stellvertretende Geschäftsleiterin im Kloster Drübeck, Brunhilde Langelüddecke. Sie hat die Entwicklungen der vergangenen Jahre begleitet und erhofft sich für das Kloster die Aufmerksamkeit verschiedener Besuchergruppen. Dabei kann sie bereits jetzt von steigenden Übernachtungszahlen im "Haus der Stille" berichten. "Der spirituelle Tourismus ist nicht nur etwas für ältere Menschen", betont sie. In Drübeck wird er auch in Form von Jazznächten, Festen und Rockkonzerten umgesetzt. In einem Kloster muss es schließlich nicht immer leise zugehen - auch wenn es die Stille ist, die die meisten Menschen dort suchen.

Weitere Informationen im Internet unter: www.kloster-druebeck.de