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Thüringen Thüringen: Tausende vertrauliche Akten in Lagerhaus entdeckt

Von Bernhard Honnigfort 17.07.2013, 06:43
Vertrauliche Akten von Rechtsanwälten und Arztpraxen, aufgenommen am 15. Juli in einer Lagerhalle in Immelborn (Thüringen). Die Halle wurde von Thüringer Datenschützern und Polizisten durchsucht.
Vertrauliche Akten von Rechtsanwälten und Arztpraxen, aufgenommen am 15. Juli in einer Lagerhalle in Immelborn (Thüringen). Die Halle wurde von Thüringer Datenschützern und Polizisten durchsucht. dpa Lizenz

Eisenach/MZ - Lutz Hasse fiel aus allen Wolken, als er begriffen hatte, was da vor ihm lag. „Das hier ist ein datenrechtliches Fukushima“, murmelte der Mann, als er seinen Rundgang durch das Backsteinhaus im thüringischen Dorf Immelborn beendet hatte. „Was für eine Riesensauerei.“ Er hatte gerade mehrere Zimmer inspiziert: Regale bis an die Decke, vollgestopft mit geschätzt 250 000 Akten. Tausende Ordner, zum Teil lagen sie auf dem Boden verstreut.

Tonnenweise Akten

Thüringens Datenschutzbeauftragter hatte einen Tipp bekommen und war mit der Polizei am Montag angerückt, um sich das unbewachte Gebäude im Gewerbegebiet einmal näher anzusehen. Dass er seinen Fund im Wartburgkreis in der Nähe von Eisenach mit der japanischen Atomreaktorkatastrophe verglich, ist natürlich ein paar Nummern zu hoch gegriffen und der Aufregung geschuldet. Doch was er fand, hat es tatsächlich in sich: Tonnenweise Akten von Patienten, Akten aus Rechtsanwaltskanzleien, Personalakten von Firmen, Akten aus Insolvenzverfahren, Firmenunterlagen, Papiere aus Arztpraxen, sogar noch Akten von DDR-Betrieben – ein gigantischer Berg Papier, den es eigentlich so nicht geben dürfte, verteilt auf drei Stockwerke. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, meinte der Datenschutzbeauftragte.

Mehrere Einbrüche

Mag man in Berlin über den NSA-Skandal, Ed Snowden und die intensive Spionage der USA in Deutschland debattieren. Thüringen hat sein Immelborn-Desaster: Tief in der Provinz geht es auch ganz ohne Whistleblower oder angezapfte Kabel. Wer vertrauliches Datenmaterial braucht, muss nur in einer unbewachten Halle ein bisschen wühlen. In den vergangenen Monaten sind offensichtlich mehrmals Einbrecher dort gewesen und haben sich bedient.

Solche Einbrüche muss es mehrfach gegeben haben. Ortsbürgermeister Ralph Groß berichtete, dass Mitarbeiter des Bauhofs dort des öfteren eingetretene Türen und kaputte Fenster zugemacht hätten und dass die Polizei gebeten wurde, dort häufiger Streife zu fahren. Genutzt hat es wohl alles nichts.

Auf dem Firmenschild draußen vor dem Haus steht noch „Adacta Aktenvernichtungs- und Archivierungs GmbH“, aber die Firma gibt es laut Handelsregister seit 2008 nicht mehr. Ehemalige Geschäftsführer sind nicht auffindbar. Das Insolvenzverfahren wurde vom Amtsgericht Meiningen im Januar 2013 beendet, seitdem wird die Halle nicht einmal mehr bewacht.

Nun muss der Aktenberg weg. Datenschützer Hasse will mit Hilfe von Bereitschaftspolizisten den Haufen sichten und sortieren. Er will sich zudem dafür einsetzen, dass bundesweit die Sicherheit solcher Depots von sensiblen Unterlagen geprüft wird.

Thema im Landtag

Demnächst wird der Schlamassel auch Thema im Erfurter Landtag. Die Linken-Politikerin Sabine Berninger will von Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) wissen, ob sich in dem Immelborner Haufen vielleicht auch Akten des Landes oder von Thüringer Kommunen verstecken. Außerdem will sie wissen, ob Immelborn ein Einzelfall ist oder einer von mehreren: „Es ist jedenfalls zu befürchten, dass es weitere ähnliche Lager gibt“, meint Berninger.

Tonnenweise sensibles Material in einer Lagerhalle in Immelborn, Thüringen.
Tonnenweise sensibles Material in einer Lagerhalle in Immelborn, Thüringen.
dpa Lizenz