Thüringen Thüringen: Niederroßla lädt zum wohl skurrilsten Volksfest Deutschlands

Niederroßla/ddp. - Höhepunkt soll am 10. Juni ein Umzug zur Geschichte von«Miss Baba» sein.
Im klirrend kalten Februar 1857 machte sich die durch ganz Europaziehende Wandermenagerie Kreutzberg auf den Weg nach Apolda. Ihregrößte Attraktion, die als «Riesenelefant» annoncierte indischeElefantenkuh «Miss Baba», musste mit einem Bretterverschlag um denKörper wandern. Schließlich verdiente der Besitzer mit ihrerPräsentation seinen Unterhalt. Zwei Groschen kostete ein Blick auf«Miss Baba». In Niederroßla nahmen der Menageriebesitzer und seineElefantenkuh eine Unterkunft in der Rittergasse. Das war der Anfangvom Ende des Elefanten.
Im April 2007 ächzen zehn Männer unter der Last. Sie wuchten unterAnleitung des Niederroßlaer Bürgermeisters, Hans-Jürgen Dietsch,einen leblosen Elefanten aus einem dunklen Lagerschuppen auf einenAutoanhänger. «Miss Baba» ist wieder da. Und sie ist erstmals seit150 Jahren wieder in Gänze in Niederroßla. Was die Männer aufgeladenhaben, ist die konservierte Haut der originalen «Miss Baba». Dieausgetopfte Elefantenkuh, die sonst im Gothaer Museum der Natursteht, wurde rechtzeitig für das Fest nach Niederroßla gebracht.Jetzt kommt sie in die Wasserburg, wo eine Elefantenausstellungaufgebaut wird. Auch «Miss Babas» originales Skelett, eigentlich imJenaer Philetischen Museum aufbewahrt, kommt dazu.
Der Legende nach ließ der Hunger «Miss Baba» 1875 die Trennwandihres Stalles eindrücken, um zu den gefrorenen Runkelrüben imNachbarverschlag zu gelangen. Furchtbare Koliken und Krämpfe sollendas Tier nach der Fressorgie geplagt haben. Um die teure Entsorgungdes sterbenden Elefanten von der Gemeinde abzuwenden, versuchte dervon Faschingsfeierlichkeiten zurückkehrende NiederroßlaerSangesverein, das Tier mit Stöcken und Stangen von der Gemarkung derGemeinde zu treiben. «Miss Baba» hauchte jedoch noch aufGemeindeterritorium ihr Leben aus. Sie hätten das Tier nur gekitzelt,sagten die Männer im Gerichtsprozess nach dem Tode von «Miss Baba».«Seitdem nennt man uns die Elefantenkitzler und den Ort Kitzelbach»,sagt Bürgermeister Dietsch stolz.
Verschrien waren die Niederroßlaer seitdem, bis sie 50 Jahre nachdem Tod des Elefanten aus der Not eine Tugend machten. Sie richtetenein Elefantenfest aus. Alle 25 Jahre wird seither gefeiert, jedeGeneration richtet ihr eigenes Fest aus. «Miss Baba kann froh sein,dass sie bei uns gestorben ist, hier wird sie wenigstens ordentlichverehrt», sagt Dietsch, während er mit dem Vorsitzenden des Burg- undHeimatvereins Ernst Preller die nächsten Aktivitäten plant. 600 der1200 Niederroßlaer seien mit den Vorbereitungen zum Fest beschäftigt,berichten die Männer.
Die größte Schwierigkeit ist laut Dietsch, die hohen Erwartungenzu erfüllen. Hatte doch bisher jedes Elefantenfest das vorhergehendeübertroffen. Was von den Festen blieb, kann man heute in Niederroßlasehen. Es gibt den «Miss Baba»-Grabstein an historischem Ort, einElefantendenkmal auf dem Dorfplatz und natürlich führt Niederroßlaeinen Elefanten im Wappen. 2007 soll es einen Umzug geben, stattKamellen sollen Elefanten fliegen, es gibt einen Sängerwettstreit,der Kindergarten führt ein Elefantenmusical auf, die «Traber» werdenvon der Wasserburg zum barocken Schloss auf dem Hochseil laufen, eswird um den Elefantenpokal gepokert, und und und.
Und auch zwei richtige Elefanten sollen zu dem vom 2. bis zum 10.Juni geplanten Fest kommen. «Wir hoffen mal, dass ihnen nichtspassiert», sagt Dietsch, denn tote Tiere müssten auch heute aufKosten der Gemeinde entsorgt werden. «Gefrorene Runkelrüben bekommensie nicht von uns», verspricht Preller.
