Thüringen Thüringen: Flaschenpost war 23 Jahre unterwegs

Göttingen/Lutter/ddp. - Schwer zu entziffern war die Schriftauf dem vergilbten Zettel, der die Göttinger Familie Marhauer seitSonntag beschäftigt: Am Flussufer der Leine hat der neunjährige Yourieine alte Flaschenpost aus der DDR entdeckt. «Mein Sohn war soaufgeregt, dass er die ganze Nacht nicht schlafen konnte», sagteSilke Marhauer. Über zwei Jahrzehnte war die unkonventionelleBriefsendung unterwegs, mit deren Hilfe der der damals elfjährigeMarko Bode aus dem kleinen Örtchen Lutter im heutigen ThüringerEichsfeld einen Brieffreund finden wollte.
«Vor meinem Elternhaus in Lutter befindet sich ein einen Meterbreiter Bach - da kommt man als Kind schon mal auf solche Ideen»,sagte Bode im Gespräch mit der Nachrichtenagentur ddp. Aus der nahenBundesrepublik seien damals zudem immer wieder Luftballons mitPostkarten gelandet, was ihn vermutlich zum Abschicken einerFlaschenpost inspiriert habe. «Ich fand das als Kind spannend, weilman ja nicht wusste, wo der Brief landet und ob jemand antwortet»,sagte Bode. Mehr als fünf Flaschen mit kurzen Botschaften habe eraber nicht auf die Reise geschickt.
Weit hat es die Flasche des heute 34-jährigen Diplom-Ingenieursnicht gebracht: Seine Heimatstadt Lutter liegt rund 42 Kilometer vomFundort Göttingen entfernt. Dort wurde die Flasche ans Ufer der Leinegespült, wo Silke Marhauer mit ihren beiden Kindern Yule und Youriund einer befreundeten Familie am Sonntag einen Spaziergang machte.«Auf der Suche nach einem Stock hat Youri in einem Treibguthaufenplötzlich eine alte Flasche entdeckt, durch die man ein Stück Papiersehen konnte», sagte Marhauer. Die bräunliche Sektflasche hatte sichvermutlich im Ufergestrüpp verhakt.
Weil sich der Korken des Fundstücks nicht lösen ließ, half YourisVater mit einem kräftigen Hammerschlag nach. Dann ging es ansEntziffern des etwas feuchten und vergilbten Dokuments. «Youri dachtezuerst, dass er vielleicht bald einen Brieffreund in seinem Alterhaben würde», sagte Marhauer. Doch schnell stellte sich heraus, dassder Brief vermutlich seit 1987 auf einen Finder gewartet hatte.
«Ein Bekannter hat mir heute von dem Fund erzählt - ich dachtezunächst an einen frühzeitigen Aprilscherz», schilderte Bode seineÜberraschung. Den Brief, auf dem das Datum 3. Januar, seine Adresse,sein Alter und der schlichte Zusatz «Suche Brieffreund» zu lesensind, hatte Bode längst vergessen. Noch heute wohnt er in Lutter, hatdas Verfassen von Briefen aber inzwischen zugunsten von E-Mailsaufgegeben. Doch vielleicht kann der späte Erfolg seiner Flaschenpostzumindest seinen siebenjährigen Sohn zu einem konventionellen Briefmotivieren: «Er lernt gerade Schreiben - da könnte er natürlichdemnächst auch mal eine Flaschenpost verschicken.»
