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Thüringen Thüringen: 30 000 besuchten bisher Erinnerungsort «Topf & Söhne»

Von Antje Lauschner 26.01.2012, 09:53
Im Erinnerungsort «Topf & Söhne» in Erfurt ist ein altes Firmenschild zu sehen. Vor einem Jahr öffnete auf dem einstigen Firmengelände die Erinnungsstätte. (FOTO: DPA)
Im Erinnerungsort «Topf & Söhne» in Erfurt ist ein altes Firmenschild zu sehen. Vor einem Jahr öffnete auf dem einstigen Firmengelände die Erinnungsstätte. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Erfurt/dpa. - Jahrzehntelang war es kein Thema, das freiwilligeMittun vieler deutscher Unternehmen an den Verbrechen der Nazis.«Seit der Eröffnung der Erinnerungsstätte "Topf & Söhne - DieOfenbauer von Auschwitz" vor einem Jahr am 27. Januar haben sich fast30 000 Besucher, zumeist Schüler, über die Verstrickung der Industriein die NS-Vernichtungsmaschinerie informiert», sagte die Leiterin desErfurter Erinnerungsortes, Annegret Schüle, in einem Gespräch mit derNachrichtenagentur dpa. «Wir machen die Erfahrung: Die Menschen sindsehr beeindruckt, bewegt und irritiert.» Diese Verbindung «Alltag undHolocaust» rege viele zum Nachdenken über das eigene Tun und dieeigene Verantwortung an.

«Das Verstörende: Es war eine ganz normale Firma, wo nichtgemordet und gequält wurde, sondern ein Ort, wo gedacht und gerechnetwurde, wie Tote möglichst schnell und effektiv verbrannt werdenkonnten», erklärte sie. Die Dauerausstellung belege anhand originalerZeichensäle und technischer Zeichnungen, anhand des Briefwechsels derFirmeninhaber mit SS-Größen sowie einfachen Notizzetteln undArbeitszeitkonten wie Menschen, die keine Nazis waren, zu Mittäternwurden. «Viele der Besucher fragen sich in Sichtweite des ehemaligenKZ Buchenwald: Was hätte ich getan? Was hat das mit mir zu tun? Wosind meine Handlungsspielräume?»

Der Erinnerungsort im ehemaligen Verwaltungsgebäude «Topf & Söhne»war 2011 am Tag der Opfer des Nationalsozialismus eröffnet worden.Der 27. Januar erinnert an die Befreiung des NS-VernichtungslagersAuschwitz-Birkenau durch sowjetische Truppen. Mit mehr als einerMillion Euro unterstützten der Bund und das Land Thüringen dasAusstellungsprojekt in Erfurt.

«Wir sind ein historisch sensibler Ort, der sich besonders eignet,über Vergangenheit, Zukunft und ethische Verantwortung zu sprechen»,sagte die Historikerin, die jahrelang über Topf & Söhne geforschthat. Neben Themen wie Wirtschaft und Ethik stehe die pädagogischeArbeit mit Schülern und Lehrern im Vordergrund. «Es gibt zweistündigeFührungen, Halb- und Ganztagsprojekte für Kinder und Jugendlichesowie spezielle Angebote für Erwachsene», sagte Schüle.

Am 1. Juni wird die Erinnerungsstätte ihre erste Sonderausstellung«Unersetzbar - Begegnungen mit Überlebenden» eröffnen. InVideointerviews schildern Überlebende des Holocausts wie die UngarinÉva Pusztai oder der Thüringer Reinhard Schramm ihre Erfahrungen überVerfolgung und Befreiung. «Uns interessiert vor allem: Was ist ihreBotschaft für eine humane und demokratische Gesellschaft?», sagteSchüle. «Wir sehen sie nicht als Opfer, sondern als Menschen, die unsetwas über humane Grundlagen zu vermitteln haben.»

Ihre Erfahrungen angesichts des latenten Antisemitismus inDeutschland und der Morde des aus Jena stammenden Terror-Triosaufzuzeichnen, wird laut Schüle immer wichtiger. «Unter denInterviewten ist auch ein Mann, der in Auschwitz-Birkenau dieKrematorien geputzt hat und heute in Kolumbien lebt.»