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Therapie Therapie: Drei Mal den Krebs besiegt

Von Ines GODAZGAR 01.01.2012, 19:51

Halle (Saale)/MZ. - Es gibt Geschichten, die sind so unglaublich, dass man sie in der Tat kaum glauben kann. Dennoch entstammen sie nicht dem Reich der Phantasie. Es sind Geschichten wie die von Silvia Reich (Name geändert), die gleich dreimal vom Krebs heimgesucht wurde, ihn besiegte und die heute, drei Jahre nach dem Ende ihrer Therapie, als geheilt gilt.

Ein Rückblick: Silvia Reich ist gerade von einer Fernreise zurückgekehrt, da erleidet sie auf der Straße einen Schwächeanfall. Sie geht zum Arzt. Die Diagnose platzt in ihr bis dahin unbeschwertes und gesundes Leben: Magenkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Die Krankheit hatte sich leise und ohne Vorzeichen in ihr Leben geschlichen. Doch sie kommt mit voller Wucht. "Ich hatte vorher kaum Beschwerden", erinnert sie sich, "die Diagnose machte mich wütend und verzweifelt zugleich".

Viel Gewicht verloren

Weil der Tumor schon zu groß war, konnte er zunächst nicht operiert werden. Stattdessen folgte eine strapaziöse Chemotherapie. "Es war die Hölle", so Reich, die in dieser Zeit fast die Hälfte ihres Gewichts verlor. Rund 50 Kilo. Wäre sie vorher nicht etwas dicker gewesen, hätte sie diesen massiven Abbau kaum verkraftet. Doch die Chemotherapie zeigte Wirkung, der Tumor wurde kleiner und konnte schließlich doch noch operiert werden. Nach dem Eingriff habe der Operateur zu ihr gesagt, dass dies ihr neuer Geburtstag sei. "Das hat mich ungemein motiviert", sagt die 67-Jährige.

Und zunächst sah es tatsächlich so aus, als hätte sie es geschafft. Doch im März 2006 wurde bei einer Untersuchung ein Nierentumor diagnostiziert. Das Martyrium ging weiter. Therapien, eine weitere Operation und kaum auszuhaltende Ungewissheit bestimmten die kommenden Monate. Lange Zeit war nicht klar, ob die Niere überhaupt erhalten werden kann. "Diese Ungewissheit war furchtbar", erinnert sich Silvia Reich.

Auch nachdem der Tumor an der Niere erfolgreich entfernt worden war, kehrte nur kurz Ruhe in ihr Leben ein. Nur drei Monate später spürte sie ein Schwellung am Hals. Eine erneute Hiobsbotschaft: Lymphdrüsenkrebs. Es folgten zwei weitere Jahre mit Chemotherapie, vielen Krankenhausaufenthalten und Operationen. "Es war eine schlimme Zeit", sagt Silvia Reich heute. Doch sie sagt es inzwischen aus der sicheren Perspektive der ehemaligen Patientin. Denn inzwischen gilt sie als geheilt, erhält keine Therapien mehr.

Vollständige Heilung bei einer so heimtückischen Krankheit wie Krebs, dass ist selbst im Alltag der Mediziner, die Silvia Reich im Krankenhaus Martha-Maria in Dölau unter Federführung von Oberärztin Ursula Haak behandelt haben, ein kleines Wunder. Das Wort "Spontanheilung" wollen sie dabei zwar nicht in den Mund nehmen. Schließlich habe ihre Patientin eine jahrelange Therapie hinter sich. "Dennoch ist es sehr selten, dass sich ein derart fortgeschrittener Krebs vollständig zurückbildet", sagt Ärztin Ute Neef. Zumal zwischenzeitlich auch das Bauchfell betroffen war.

Patientin als Mutmacherin

Der Behandlungserfolg zeige aber, dass psychologische Aspekte durchaus eine Rolle spielen können. Soll heißen: Silvia Reich gilt als positiver Mensch. Selbst in den tiefen Tälern ihrer schmerzhaften und schwächenden Behandlungszyklen hat sie sich immer wieder aufgerappelt, ja sogar Mit-Patienten Mut gemacht. "Das beeinflusst den Erfolg der Therapie positiv", sagt Onkologin Neef und ergänzt einen Satz, den sie den Patienten oft mit auf den Weg gibt: "Fünfzig Prozent machen wir und 50 Prozent machen Sie."

Doch wie schafft man das Unmögliche? Wie schafft man es, nicht zu verzweifeln im Kampf gegen eine Krankheit, an der jährlich tausende Menschen sterben. "Man muss es immer wieder versuchen", sagt Reich und fügt hinzu: "auch ich habe geweint. Aber man kann nicht monatelang nur weinen". Eine große Hilfe waren für sie auch ihr Mann und ihre Kinder. "Mein Mann hat mich viel abgelenkt und im Alltag motiviert. Als ich aus der Klinik kam, hatte meine Tochter die Wohnung mit frischen Frühlingsblumen vollgestellt", erinnert sie sich. Therapiepausen wurden für Urlaube genutzt, in denen Silvia Reich Kraft tanken konnte. "Jeder in der Familie hat zu meiner Heilung beigetragen. Allein hätte ich es nicht geschafft".

Neue Perspektive

Inzwischen ist Silvia Reich wieder zu Kräften gekommen. Die Spuren der Therapien sind ihr kaum anzusehen. Sie trifft sich mit Freunden, liest viel, lacht gern und hat einen großen Bewegungsdrang "Ich schaue anders auf das Leben", sagt sie. "Konsum bedeutet mir nichts. Aber ich freue mich auf jeden neuen Tag."