Streit über Polizeigewalt Streit über Polizeigewalt: Landgericht Magdeburg stuft harten Einsatz als Körperverletzung ein

Magdeburg - Ein ungewöhnlich hartes Urteil gegen einen Polizeibeamten entfacht eine Debatte um Gewalt im Dienst des Staates. Das Landgericht Magdeburg hat einen Bereitschaftspolizisten wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt verurteilt. Der heute 35 Jahre alte Beamte war im Januar 2014 gegen einen 30-Jährigen vorgegangen, der vor dem Magdeburger Rathaus den Hitlergruß zeigte.
Als der betrunkene Mann sich weigerte, seine Personalien anzugeben, brachte ihn der Polizist mit einem Kollegen gewaltsam zu Boden, es kam zu Prellungen und Schürfwunden. Das Landgericht Magdeburg verurteilte den Beamten jetzt zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 70 Euro, zusammen 8.400 Euro.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Staatsanwaltschaft und Verteidigung sind in Revision gegangen. In der ersten Instanz hatte das Amtsgericht Magdeburg sogar eine Haftstrafe von sieben Monaten auf Bewährung verhängt. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) übt heftige Kritik an der Entscheidung des Landgerichts. „Hier hat sich jemand der Personenkontrolle widersetzt und der Kollege hat daraufhin rechtmäßig einfache körperliche Gewalt angewandt“, sagte Landesvorsitzender Uwe Petermann der MZ.
GdP bietet dem Verurteilten Unterstützung an
„Das Urteil halten wir für deutlich überzogen.“ Petermann rügte, durch das Magdeburger Urteil stehe nun der Mann, der den Hitlergruß gezeigt habe, als Opfer da. „Das wollen und können wir nicht hinnehmen.“ Die GdP hat dem Verurteilten Unterstützung angeboten. Der Mann und sein Strafverteidiger wollen sich öffentlich nicht äußern.
Auch vom Innenministerium gab es am Mittwoch keine Einschätzung zum Urteil. Offen ist, ob der verurteilte Beamte nun auch mit disziplinarrechtlichen Folgen rechnen muss.
Der Hamburger Kriminologe Rafael Behr erkennt in der Kritik der GdP einen Trend. „Die Richterschelte aus den Polizeigewerkschaften nimmt zu, sie wird zunehmend aggressiv“, sagte der Polizeiwissenschaftler der MZ. Den aktuellen Anlass könne er nicht beurteilen, betonte Behr. Generell sei das Propagieren eines „robusten Polizeiauftretens“ und die Abwehr jeder Kritik gefährlich. „Das eigene Handeln wird so für sakrosankt erklärt - das ist ein fatales Signal in die Polizei hinein.“
Sachsen-Anhalt: Dutzende Verfahren wegen Körperverletzung im Amt
Bundesweite Schlagzeilen produzierte etwa der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt. 2012 nannte er ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz „schöngeistige Rechtspflege“. Das Gericht hatte untersagt, Menschen allein aufgrund ihrer schwarzen Hautfarbe zu kontrollieren.
Wegen Körperverletzung im Amt gibt es in Sachsen-Anhalt jährlich Dutzende Ermittlungsverfahren gegen Polizisten, oft gegen mehrere Beamte gleichzeitig. 2017 waren 130 Polizisten beschuldigt, im Jahr davor sogar 156. Die meisten Fälle wurden eingestellt, weil der Täter nicht identifiziert werden konnte. In einigen wenigen Fällen schloss die Staatsanwaltschaft den Aktendeckel wegen erwiesener Unschuld.
Um Fälle von Polizeigewalt aufklären zu können, weitet die Koalition aus CDU, SPD und Grünen die Kennzeichnung von Polizisten aus. Bislang tragen Beamte im Streifendienst Namensschilder. Durch eine Nummer an der Uniform sollen ab August auch Bereitschaftspolizisten identifizierbar sein. (mz)