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Spurensuche vor der Haustür Spurensuche vor der Haustür: Kampf der kleinen Indianer

Von Steffen Höhne 19.01.2005, 15:09

Zappendorf/MZ. - Der Wilde Westen war in Zappendorf bei Halle schon einmal ganz nah. In den alten Steinbrüchen des Ortes drehte in den 60er Jahren die DDR-Filmproduktionsfirma Defa Kinostreifen wie "Die Söhne der großen Bärin" mit Gojko Mitic. Von dem einstigen Film-Glamour ist nicht viel geblieben. Da überrascht es, dass gerade Jugendliche aus Zappendorf - denen der Name Gojko Mitic wohl kaum noch etwas sagt - die alte Zeit in die Erinnerung zurückholen. Mit ihrem Projekt "Steinbruch des 20. Jahrhunderts" gingen rund 25 Jugendliche des Kinder- und Jugendcamps in Zappendorf auf Spurensuche. Und sie wurden fündig.

Viele Bewohner des heute 1 600 Einwohner zählenden Saalkreis-Ortes spielten damals als Statisten in den Defa-Streifen mit. Die 14-jährige Lisa Demuth suchte sie auf. "Die alten Leute konnten sich noch gut erinnern." Die Jugendlichen erfuhren bei ihren Gesprächen mehr aus jener Zeit, als sie erwartet hatten. Das bei der Recherche im eigenen Ort gesammelte Material nutzten die jungen Leute unter anderem für einen kurzen Film über ihre Arbeit. Außerdem stellten sie eine Ausstellung mit alten Requisiten, Bildern und Texten zusammen. Und in einer Theatergruppe spielten die jungen Zappendorfer einige der Indianer-Szenen nach.

Das Projekt des Jugendklubs war Teil der Initiative "wir ... hier und jetzt", des Bundessozialministeriums, das jungen Ostdeutschen "Perspektiven in ihrer Heimat aufzeigen soll", sagt die zuständige Parlamentarische Staatssekretärin Christel Riemann-Hanewinckel. Beim Besuch in dem Zappendorfer Camp sprach die SPD-Bundestagsabgeordnete mit den Jugendlichen auch lange über Möglichkeiten zur Eigeninitiative.

Was das bedeutet, davon kann die Leiterin des Jugendclubs, Ines Glatter, einiges erzählen. Vor drei Jahren hat sie sich selbstständig gemacht. Sie pachtete Land und Gebäude am alten Steinbruch und betreibt über einen Verein den Jugendclub. "Das Geld aus dem Spurensuche-Projekt sicherten für ein Jahr mit unser Bestehen", sagt sie.

Von Jahr zu Jahr kämpfen Glatter und die Jugendlichen um den Jugendclub. Die Zuschüsse der Gemeinde würden bei weitem nicht ausreichen. Die 39-Jährige finanziert derzeit über einen privaten Hort den Club mit.

Wie sind die Perspektiven für junge Menschen in Zappendorf? Über einen Kinder- und Jugendrat reden die Zappendorfer Jugendlichen in der Kommunalpolitik mit. Das hat Seltenheitswert in Sachsen-Anhalt. Die Beteiligung ist freilich nicht immer erfolgreich. So dürfe im Steinbruch von den Jugendlichen kein Lagerfeuer mehr gemacht werden. Dagagen, so Glatter, sind die Umweltschützer, da der Rauch in die Flugbahn von Fledermäusen wehen könnte. "Viele Erwachsenen im Dorf interessieren sich nicht besonders für uns", kommentiert Lisa Demuth diese Entscheidung. Ihre Freundin Anja nickt.

Wollen sie in der Region bleiben? Die beiden Jugendlichen zucken mit den Schultern. "Ich würde hier gern als Physiotherapeutin arbeiten", sagt Lisa. Anja will am liebsten ins Ausland, denn in Zappendorf sei wenig los. Eine große Sorge gilt dem Bestehen des Jugendclubs.

Staatssekretärin Riemann-Hanewinckel machte den Zappendorfern Mut. Sie will sich beim Land Sachsen-Anhalt dafür einsetzen, dass weiterführende Programme angeschoben werden. Die Jugendlichen wissen jedenfalls genau, was sie an ihrem Treff haben. "Wenn es den Club nicht gäbe," sagt einer von ihnen, "müssten wir wohl an der Bushaltestelle unsere Freizeit verbringen."