"Sexy" Forschung "Sexy" Forschung: Wissenschaftler stehen unter Druck

Halle (Saale) - Was nützt das genialste Forschungsergebnis, wenn niemand davon erfährt? Seit dem 17. Jahrhundert gehört es deshalb in der Wissenschaft dazu, Erkenntnisse zu veröffentlichen - und sich damit auch der Kritik von Anderen auszusetzen. Das Lob hingegen lässt sich daran messen, wie oft ein Aufsatz oder Artikel zitiert wird.
Unter den meistzitierten Wissenschaftlern der Welt ist seit diesem Jahr auch Ingolf Kühn vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Halle und seit März Professor für Makroökologie an der Universität Halle.
Wertschätzung der Arbeit
„Es hat mich extrem gefreut, auf der Liste zu stehen. Das zeigt die Wertschätzung unserer Arbeit von anderen Wissenschaftlern. Das heißt, dass es anderen etwas gebracht hat“, sagt Kühn. Die Liste ist die der „highly cited researchers“, der meistzitierten Forscher weltweit, die von Thomson Reuters erstellt wird. 119 englischsprachige Artikel von Kühn und seinen Mitstreitern sind dort eingeflossen.
Das Unternehmen berücksichtigt dabei Artikel, die in renommierten interdisziplinären Fachzeitschriften wie Science, Nature oder Proceedings of the National Academy oder für das Fachgebiet wichtigen Zeitschriften erschienen sind und damit eine „riesige Reichweite“ haben, wie Kühn erklärt. „Damit gibt es eine breite Basis, die auf die Erkenntnisse zugreifen kann und das ist der Sinn des Publizierens“, sagt Kühn. Deshalb sei auch die Wissenschaftssprache mittlerweile Englisch, zumal das auch die Chancen erhöhe, im internationalen Umfeld zu arbeiten.
Zu seinen meistzitierten Arbeiten gehört unter anderem eine Datenbank zu biologischen Eigenschaften von Pflanzen, die öffentlich bereitgestellt wurde. Zunächst waren es Pflanzen in Deutschland, „da waren wir die ersten“, so Kühn - dann kamen europäische hinzu und schlussendlich weltweite Daten.
Rankings für Deutschland relativ unwichtig
In Deutschland seien solche Rankings relativ unwichtig, sagt Kühn, aber international habe das durchaus Auswirkungen, beispielsweise als Lockmittel für Wissenschaftler aus anderen Ländern. „Die Unis Halle, Leipzig und Jena haben in der Ökologie einen extrem guten Ruf“, sagt Kühn. So verwundert es nicht, dass unter den acht viel zitierten Ökologen aus Deutschland, die in der „highly cited“-Liste stehen, neben Kühn noch drei weitere aus Halle kommen, die ebenfalls am UFZ beziehungsweise der Uni Halle arbeiten.
Regelmäßige Veröffentlichungen seien durchaus im Interesse der Wissenschaftler, weil die meisten möchten, dass ihre Arbeit effizient kommuniziert werde, so Kühn. Es sei jedoch falsch, einen Forscher nur nach der Anzahl seiner Publikationen bewerten zu wollen. Sinnvoller sei es, wie es mit der „highly cited“-Liste geschehe, danach zu schauen, wie oft jemand zitiert wurde. Es zähle eher die Qualität als die Quantität. Wobei Kühn auch zugibt, dass ihm und seinen Kollegen zugute kommt, dass sie sich mit gesellschaftsrelevanten Themen wie invasive Pflanzen, Auswirkungen des Klimawandels und Biodiversität befassen.
Schreiben gehört zum Beruf
Und er sagt auch, dass der Druck, publizieren zu müssen, zunehme, vor allem in den Naturwissenschaften. Bereits Doktoranden schreiben Artikel für Fachmagazine über den Stand ihrer Forschung. Nur ein Drittel ihrer Arbeit sei experimenteller Art, der Rest seien Auswertungen und Arbeiten an den Veröffentlichungen inklusive der Überlegungen „wie schreibe ich es zusammen, wie veröffentliche ich es“, verdeutlicht Kühn. Kurse in wissenschaftlichem Schreiben sind daher Teil der Ausbildung. „Das Schreiben von Aufsätzen und Artikeln gehört später im Beruf auch dazu“, sagt Kühn. Zudem gehe die Tendenz dahin, einzelne Aspekte herauszugreifen und eine Forschungsarbeit in mehrere Publikationen zu teilen.
Doch die größte Hürde seien die Fachzeitschriften. Dort würde entschieden, was publikationswürdig sei, sagt Kühn, der auch schon Ablehnung erfahren hat. Und der Platz sei zudem begrenzt. „Deshalb müssen wir uns Gedanken machen, was die Hauptaussage ist und was unsere Forschung sexy macht“, sagt Ingolf Kühn. (mz)
Die Liste ist einsehbar unter: http://highlycited.com