Saale Wie Forstbetrieb auf Krankheiten, Hochwasser und Klimawandel reagiert: Eine Tour durch die Nienburger Sprohne

Nienburg - Der Saale-Auenwald wird in den nächsten Jahrzehnten sein Gesicht deutlich verändern. Das Triebsterben gefährdet die Esche, die mehr als die Hälfte der hiesigen Hartholzaue bildet, massiv.
„In Sachsen-Anhalt und weiteren Bundesländern darf diese Baumart nicht mehr aufgeforstet werden, weil es keinen Zweck hat“, sagt Förster Falko Friedel, den die MZ für eine Bestandsaufnahme durch die Sprohne begleitet hat.
Das Waldgebiet bei Nienburg steht repräsentativ für den Zustand des Auenwaldes, der sich im Altkreis Bernburg auf fast 600 Hektar beiderseits der Saale erstreckt. Das Territorium gehört zum Hakel, dem mit 2.250 Hektar größten Revier des Forstbetriebes Ostharz.
Seit mehr als zehn Jahren sterben die Eschen, das sieht den Eschenbastkäfer an
Verantwortlich zeichnet hier seit 13 Jahren Falko Friedel, dessen Vater selbst Förster war. „Das Eschentriebsterben tritt bei uns seit 10 bis 15 Jahren auf, insbesondere bei jungen Bäumen, und zieht den Eschenbastkäfer sowie andere Schädlinge an“, berichtet der 59-Jährige. Verursacht wird es durch einen Pilz, eine direkte Bekämpfung ist nicht möglich.
Am Nienburger Anglerheim hat sich der Eschenhain in den vergangenen Jahren unübersehbar gelichtet. Forstbetriebsleiter Hans Schattenberg hofft, dass der eine oder andere Baum überlebt, ein völliger Kahlschlag vermieden werden kann. Laut Waldgesetz muss binnen drei Jahren wieder aufgeforstet werden. „Auf eine natürliche Verjüngung können wir hier nicht hoffen“, sagt Friedel.
Mit dem Eichenprozessionsspinner, der viele Waldgebiete in Sachsen-Anhalt befallen hat, muss sich der Förster in seinem Revier zwar nicht herumschlagen, dafür gibt es genug andere Schädlinge. Wie den aus Holland eingewanderten Ulmensplintkäfer, der die namensgebende Baumart in gravierendem Maße zerstört.
Viele Ulmen im Auenwald werden nicht älter als 30 Jahre
„Der Ulmenbestand bricht uns im Auenwald schon seit längerem weg, die Bäume werden nicht mehr älter als 20 bis 30 Jahre“, sagt Friedel. Beobachtet hat er im Auenwald, der von Esche, Stieleiche, Feldrüster und Feldulme dominiert wird, vereinzelt auch schon die Rußrinden-Krankheit, die Ahornbäume befällt. Dieser Pilz sei aus Amerika eingeschleppt worden, der für das Eschentriebsterben verantwortliche Pilz aus Ostasien - es sind die Schattenseiten der Globalisierung.
Der langanhaltende hohe Wasserstand bei der Flutkatastrophe im Juni 2013 hat nach Meinung des Försters die Bäume geschwächt und den Auenwald anfällig gemacht. „Wir mussten viele kranke Bäume danach abholzen, das wurde uns öffentlich angekreidet“, verteidigt Friedel das Handeln gegen die damalige Kritik.
Die Wälder bräuchten Pflege, man könne sie sich nicht selbst überlassen. Zumal ein geschwächter Baum auch eine Gefahr für Menschen sei. „Solch ein Baum kann spontan zusammenbrechen“, sagt Schattenberg. „Sie wären eine Gefahr für Pilzsammler und Spaziergänger. Wir sorgen dafür, dass die Wälder nutzbar sind für die Bevölkerung“, betont Friedel.
Wälder bräuchten Pflege, man könne sie sich nicht selbst überlassen, sagt Revierförster Falko Friedel
Weil der Forstbetrieb eher auf die Krankheiten reagieren muss, der Auenwald zudem teilweise unwegsam ist, würden aktuell deutlich weniger Bäume geschlagen als geplant (2.500 Festmeter Holz pro Jahr) und als nachwachsen (3.500 bis 4.000 Festmeter).
Im kommenden Winter sollen die abgestorbenen Pappeln am toten Saalearm entnommen werden - die Flachwurzler waren in den vergangenen trockenen Sommern schlichtweg verdurstet.
Ein weiteres Problem sind sogenannte Neophyten, also Pflanzen, die in diesem Lebensraum normalerweise nicht vorkommen. Wie der Eschenblättrige Ahorn, der gegenüber der Gartensparte auf der Halbinsel zwischen Saale und totem Saalearm am Wegesrand wächst. „Er vermehrt sich wie Unkraut, die Wuchsleistung ist enorm.
Aber mit dem Holz kann man nichts anfangen“, erklärt Forstamtsreferendar Willy Hasselbach. „Diese Neophyten beseitigen wir, aber man läuft immer hinterher“, sagt Schattenberg.
Fremde Pflanzenarten machen sich breit wie der Eschenblättrige Ahorn
Die Fremdlinge seien einerseits nicht anfällig für Krankheiten, andererseits werden sie in der Regel gemieden von der Tierwelt. Eine Ausnahme bilde da die schon seit drei Jahrhunderten heimische Robinie, die als gute Bienenweide gilt.
Beim Erhalt des Auenwaldes müssen die Experten aber nicht nur Schädlinge und ungewollte Einwanderer im Blick haben. Auch der Klimawandel spielt eine wesentliche Rolle. „Die frühe Laubfärbung ist ein deutliches Zeichen“, sagt Schattenberg. Normalerweise passiere das erst ein paar Wochen später, etwa ab Mitte Oktober.
Gegenüber der Bodemündung hat Friedel vor sieben Jahren eine 1,7 Hektar große Schonung eingefriedet - als Schutz vor Rehwild und Biber. Zwischen jungen Eichen wachsen hier seltenere Bäume wie Elsbeere, Speierling und Mirabelle. „Wir wollen damit die einheimische Artenvielfalt erhalten“, erklärt der Förster. Neben der Landesstraße nach Gerbitz experimentiert er mit Baumarten, die mutmaßlich geeignet sind, in den nächsten Generationen im Auenwald zu gedeihen. Die Schwarznuss, Flatterulme, Moorbirke, oder Schwarzpappel zählen dazu.
Einen Wald aufzuforsten ist, teuer: Rund 15.000 Euro pro Hektar
Aufforstung ist ein kostspieliges Unterfangen. Das Bepflanzen eines Hektars mit Stieleichen-Setzlingen kostet so viel wie ein Kleinwagen - mehr als 15 000 Euro. Laut einer Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich ist die Aufforstung aber auch die effektivste Maßnahme für den Klimaschutz. Mit der realisierbaren Ausdehnung der globalen Waldfläche um ein Drittel könnten Bäume zwei Drittel der von Menschen verursachten Kohlendioxid-Emissionen aufnehmen. (mz)