Helles Grün, frische Triebe Von Weihnachten bis Ostern: Bernd Hentscher aus Gramsdorf lässt Weihnachtsbaum richtig lange stehen

Gramsdorf - Ein Besuch im Wohnzimmer von Bernd Hentscher läuft in etwa so ab: Erst zweifelt man am eigenen Sehvermögen, dann am Verstand und wirft schließlich einen Blick auf den Kalender, um zu überprüfen, ob wirklich schon Mitte Februar ist.
Nachdem man alles überprüft hat, ist aber klar: Da steht tatsächlich ein stattlicher Weihnachtsbaum, bunt geschmückt und mit echten Wachskerzen. Und das, obwohl draußen schon die ersten Vorfrühlingslüfte wehen.
„Der Baum steht viele Jahre lang im Wald und kostet mich 35 Euro"
Aber es kommt noch besser: „Ich lasse meinen Baum immer bis Ostern stehen“, sagt der 64-Jährige und liefert die Erklärung gleich hinterher: „Der Baum steht viele Jahre lang im Wald und kostet mich 35 Euro – warum soll ich ihn also nur ein paar Tage stehen lassen?“ Klingt ja auch irgendwie einleuchtend.
Also hegt und pflegt der Dachdecker im Ruhestand seine 2,50-Meter-Blaufichte. Wechselt regelmäßig das Wasser im Porzellangefäß aus und besprüht das Nadelkleid zweimal wöchentlich mit Wasser aus einer Rückenspritze, wie man sie von der Unkrautbekämpfung her kennt.
„Hier in der Wohnung ist die Luft so trocken und das ist dann, als ob es regnet“, sagt Hentscher. Und der Baum dankt es ihm: helles Maigrün ziert die Zweigspitzen und sogar frische Zapfentriebe sind erkennbar.
Zweimal wöchentlich wird der Baum mit Wasser aus Rückenspritze beregnet
Der 64-Jährige hat sich längst an die Kommentare seiner Bekannten gewöhnt, die in etwa so lauten: „Hentscher, du bist verrückt.“ Es sollen sogar Fotos existieren, die ihn zusammen mit einem Osterstrauch aus mit Eiern behangenen Forsythien zeigen – und im Hintergrund leuchtet der Weihnachtsbaum. Auch seine Frau müsse kulant sein, sagt er.
Schließlich würde die ausladende Fichte das Saubermachen nicht eben leichter machen. „Aber man kann ja auch um den Baum herum saugen“, begegnet der Gramsdorfer diesem Problem mit typisch männlichem Pragmatismus.
Bernd Hentscher mag Lametta und echte Kerzen
Auch wenn der Hentscher’sche Weihnachtsbaum wohl länger steht als alle anderen im Altkreis – aufgestellt wird er ganz klassisch früh morgens an Heiligabend. Normalerweise hängt auch ordentlich Lametta dran, aber das hat dieses Fest gefehlt.
„Das wollten unsere Kinder nicht.“ In diesem Jahr wird sich der Hausherr aber wieder durchsetzen und die glitzernden Metallstreifen über die Zweige hängen. „Ich finde es mit Lametta einfach schöner.“
Dasselbe gilt für die Kerzen. „Als ich Kind war, hatten wir echte Kerzen – und seitdem mache ich das so. Das ist halt Tradition.“ Tradition, für die sich auch der Nachwuchs begeistern kann: „Unsere Enkel sind Feuer und Flamme“, sagt der Rentner und lacht.
Die Wachstuchdecke unter dem Baum sorgt dafür, dass eventuell herunter tropfendes Wachs nicht den Boden ruiniert. Weil der Baum so lange an seinem Platz steht, soll es natürlich auch ein besonders schöner sein. Dafür fährt der Gramsdorfer extra nach Landsberg in der Nähe von Halle: „In Bernburg habe ich nie einen gescheiten Weihnachtsbaum bekommen.“
Auf der Plantage sucht sich Hentscher einen Baum aus und fällt ihn selbst
Auf der Landsberger Plantage sucht er sich den passenden Baum aus und fällt ihn selbst. Seit Jahren holt er sich dann immer eine Blaufichte ins Haus: „Die hat zwar harte Nadeln, riecht aber wunderbar nach Wald.“
Ein klarer Vorteil gegenüber künstlichen Bäumen – die er sich überraschenderweise aber auch ins Haus holt. „Die kommen in den Flur oder ins Kinderzimmer und da sind dann auch elektrische Kerzen dran.“
In diesem Jahr hat Bernd Hentscher übrigens ein Problem: Ostersonntag ist erst am 21. April – und damit sehr spät. Die Fichte muss aber so lange durchhalten, denn ihr letzter Weg soll ein heißer sein: „Ich bringe meine Bäume immer zum Gramsdorfer Osterfeuer.“ Es werden also noch einige Liter Wasser versprüht werden müssen. (mz)