1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Salzlandkreis
  6. >
  7. Video im Artikel: Rüben-Kampagne im Salzlandkreis: Wie wird unser Zucker in Könnern gewonnen wird

Video im Artikel Rüben-Kampagne im Salzlandkreis: Wie wird unser Zucker in Könnern gewonnen wird

Von Antonie Städter 07.10.2016, 18:00
Bis Kristallzucker entstanden ist, sind viele Schritte nötig. Auch jegliche Nebenprodukte werden weiterverwendet, zum Beispiel als Viehfutter oder in der Hefe-Herstellung. Die Zuckerrübe wird damit zu 100 Prozent genutzt.
Bis Kristallzucker entstanden ist, sind viele Schritte nötig. Auch jegliche Nebenprodukte werden weiterverwendet, zum Beispiel als Viehfutter oder in der Hefe-Herstellung. Die Zuckerrübe wird damit zu 100 Prozent genutzt. Andreas Stedtler

Könnern - Der Ort, an dem in Könnern im Salzlandkreis süße Kristalle entstehen, ist nicht zu verfehlen. „Zuckerfabrik“, steht auf den Straßenschildern nahe den imposanten Anlagen.

Es sind etliche Lastkraftwagen, die sich dieser Tage auf den Weg dorthin machen. Oder genauer: „Durchschnittlich alle zwei Minuten kommt ein Lkw hier an, also rund 30 pro Stunde“, erklärt Martin Corbach. Er ist Standortleiter Produktion und Technik in der Zuckerfabrik von Pfeifer & Langen.

Seit Dienstag läuft hier die diesjährige Rüben-„Kampagne“, die Zeit der Ernte und Verarbeitung der süßen Feldfrüchte. Bis Anfang Dezember soll sie dauern.

Von der Rübe zum Zucker

Rund drei Kilometer lang ist die Anfahrtsspur für die Laster auf dem Werksgelände. Sie bringen die Erzeugnisse von 580 Rübenanbauern hierher - „zum Großteil aus dem Gebiet zwischen Magdeburg und Leipzig“, berichtet Franz Michiels-Corsten, der den Bereich Landwirtschaft in der Fabrik leitet und mit Blick auf die Rüben sagt: „Sie sehen dieses Jahr gut aus, sehr sauber - aufgrund der langen Trockenheit haftet wenig Erde daran.“

Andererseits gehen ausgeprägte Trockenphasen stets zulasten der Erntemenge. Erwartet werden bis Ende der Kampagne knapp 1,2 Millionen Tonnen Rüben, etwa 66 Tonnen je Hektar.

Es sei erstaunlich, dass der Ertrag damit trotz Trockenheit „recht gut“ sein wird, findet er. Eine Erklärung: „Die Zuckerrübe kann bis zu zwei Meter tief wurzeln - und aus den tieferen Schichten Feuchtigkeit aufnehmen.“

Auf Waagen im Boden kommen die Laster zum Stehen. Hier wird nicht nur gewogen, sondern über einen Datenschlüssel auch genau erfasst, woher die Zuckerrüben kommen. Mit dem „Rüpro“, einem Rübenprobestecher, werden zudem circa 50 Kilogramm der 25-Tonnen-Ladung entnommen.

„Die Probe wird gewaschen und auf Verunreinigungen untersucht“, erklärt Franz Michiels-Corsten. Im Rübenlabor analysieren die Mitarbeiter einen Brei aus der Probe auf den Gehalt an Zucker und anderen Inhaltsstoffen.

All die Ergebnisse bilden die Grundlage für die Bezahlung der Rüben. „Der Zuckergehalt ist dieses Jahr mit rund 18,7 Prozent sehr hoch“, sagt der landwirtschaftliche Leiter, „der Durchschnitt liegt sonst bei 18,3.“

Er bringt die Besucher zur nächsten Station, dem neu errichteten Fix-Point, wo die Rüben von Montag 0 Uhr bis Samstag 22 Uhr angeliefert werden. „Hier können gleichzeitig acht Fahrzeuge stehen, die die Zuckerrüben direkt in ein Grubensystem abladen.

Darin werden die Rüben mit Schwemmwasser zur Verarbeitung in die Fabrik transportiert. Bevor sie auf einem Band dort ankommen, werden sie gewaschen und von Erde, Steinen oder Blattresten befreit.“

Besonderheit: Das Schwemmwasser stammt von den Rüben selbst. Dazu muss man wissen, dass eine Zuckerrübe zu ungefähr einem Dreiviertel aus Wasser besteht. In der Zuckerfabrik kommen neben dem süßen Stoff also letztlich auch Unmengen an Wasser an.

„Wir reinigen es in unserer vollbiologischen Kläranlage. Ein Teil wird für Prozesse  in der Fabrik verwendet, der Großteil in die Saale geleitet“, erzählt Franz Michiels-Corsten.

Produktion in der Zuckerfabrik hät nie an

Die Produktion in dem modernen Werk, das 1993 errichtet wurde, läuft nonstop, die Maschinen arbeiten 24 Stunden jeden Tag. Knapp 170 Mitarbeiter, 19 Auszubildende und 30 Saison-Arbeitskräfte sorgen dafür, dass alles im Takt bleibt.

Natürlich braucht es da immer frische Rüben. „750 Tonnen davon verarbeiten wir pro Stunde“, macht Corbach deutlich. An Sonn- und Feiertagen oder falls die Lkw etwa mal im Stau stehen, greift man auf den Rübenhof zurück - auf eine Art Sammelstelle für Zuckerrüben, die nicht sofort verarbeitet werden.

In der Fabrik, in der teilweise ein ganz eigener Geruch in der Luft liegt, werden die Feldfrüchte zunächst in Schneidmaschinen bearbeitet. Die entstandenen Rübenschnitzel laufen über Förderbänder, sie sehen ein wenig aus wie zu hell geratene Pommes.

Weiter geht es zur Extraktion. „Dabei wird den Schnitzeln mit Hilfe von heißem Wasser Zucker entzogen. Es entsteht der Rohsaft“, erläutert Martin Corbach. Und: „Nachdem dieser in einem speziellen Verfahren gereinigt wurde, erhalten wir den sogenannten Dünnsaft, der bis zu 18 Prozent Zucker enthält.“  

Der lange Weg zum Kristallzucker

Bis zum Kristallzucker braucht es also noch ein paar Schritte. Auch der Laie kann sich denken: Neben Dünnsaft könnte es auch Dicksaft geben. Und tatsächlich, so erklärt der Experte: „In der Verdampfstation wird der Dünnsaft in sieben Stufen zu goldgelbem Dicksaft eingedickt. Er enthält bis zu 76 Prozent Zucker.“

Derweil sind die Blicke der Mitarbeiter im Leitstand auf Monitore gerichtet. „Von hier aus werden die Prozesse in der Fabrik gesteuert und überwacht“, sagt Michiels-Corsten. Ganz genau hingesehen wird auch im Betriebslabor: Proben der verschiedenen Zwischenprodukte und des Endprodukts, fertiger Zucker, werden hier unter die Lupe genommen.

 Was aber geschieht nun mit dem Dicksaft? „62 Prozent davon werden zu Zucker verarbeitet, 38 Prozent in Tanks ausgelagert - für die Dicksaft-Kampagne im Frühjahr“, berichtet der Standortleiter Produktion/Technik.

Wir befinden uns inzwischen im Herzstück der Fabrik, dem Zuckerhaus. Corbach deutet auf einen großen silbernen Behälter, in den man über eine kleine Öffnung hineinschauen und Kristalle sehen kann: „Im Kochapparat wird dem Dicksaft weiter Wasser entzogen, womit das Kristallwachstum angeregt wird.

Bei einer bestimmten Kristallgröße entsteht sogenanntes Magma aus Zuckerkristallen und Saft.“ In Zentrifugen werde der Saft abgeschleudert. „Nach der Trocknung und Kühlung der Kristalle ist der Weißzucker fertig, kann in Silos gelagert und später verpackt werden.“ Auch Raffinade, Zucker in reinster Form, wird hier hergestellt. „Dafür muss der Zucker ein zweites Mal kristallisiert werden“, so Corbach.

Bei der aktuellen Rüben-Kampagne sollen in Könnern circa 120.000 Tonnen Kristallzucker erzeugt werden. Hinzu kommen 130.000 Tonnen Dicksaft, die im Frühjahr zu circa 75.000 Tonnen Zucker verarbeitet werden. Franz Michiels-Corsten schaut aber auch schon weiter: „Im nächsten Jahr, wenn die Quotenregelung im europäischen Zuckersektor fällt, soll es deutlich mehr werden.“

Werksbesichtigungen sind nach Anmeldung möglich, mehr dazu unter: 034691/423 47

(mz)