Schätze aus dem Wald Mit dem anstehenden Herbstbeginn zieht es Pilzliebhaber in den Harzer Wald
Experten aus der Region schätzen ihre Chancen auf volle Körbe ein.

Aschersleben/Ballenstedt/Quedlinburg/MZ - Auf der Bank im Garten von Klaus Strathausen liegen Pilze über Pilzen. Steinpilze, Nelkenschwindlinge, Riesenschirmpilze und zahlreiche andere Arten - sowohl giftige, als auch genießbare - konnte er in letzter Zeit finden.
„Insgesamt war das Pilzjahr bisher allerdings eher mau“, berichtet er. Der 76-Jährige arbeitet in Ballenstedt als Pilzberater. Sammler, die sich unsicher sind, was bei ihren Streifzügen durch den Wald im Korb gelandet ist, kommen zu ihm. Er trennt die giftigen Exemplare von den ungiftigen, so dass Pilzliebhaber die Früchte ihrer Arbeit gefahrlos genießen können. Etwa 300 Besucher nehmen seine Dienste jährlich in Anspruch, schätzt Strathausen.
Beginn der Hauptsaison
Nach einem sehr niederschlagsreichen Sommer könne nun eine gute Hauptsaison für Pilzsammler bevorstehen, meint Strathausen. Sein Kollege Torsten Brilloff, Pilzberater in Quedlinburg , hofft auf weiteren Regen. „Dann könnte noch mehr kommen“, vermutet er im Hinblick auf das Pilzwachstum. Zurzeit, so Brilloff, wären die Bedingungen beispielsweise für Steinpilze günstig.

Theoretisch, erklären Brilloff und Strathausen, kann man das ganze Jahr über Pilze sammeln. So wächst zum Beispiel im Frühjahr der Mairitterling, Morcheln sprießen bis in den Sommer hinein und Exemplare wie der Winterrübling lassen sich sogar in der kalten Jahreszeit finden. Auch je nach Ort unterscheiden sich die Pilzvorkommen. Während Steinpilze oft die Nähe von Fichten suchten, erläutert Klaus Strathausen, bevorzugten Pfifferlinge beispielsweise Birken und Buchen. Pilze wie der Nelkenschwindling würden dagegen vor allem bei Wiesen wachsen. „Jeder Pilz hat sein eigenes Biotop“, fasst er zusammen.
Herausforderung Klimawandel
Und dennoch: Die Voraussetzungen für das Pilzwachstum waren in den letzten Jahren - vorsichtig gesagt - nicht ideal. Der Hauptgrund: die oft langanhaltende Trockenheit im Sommer. Die Hitze „verbrennt“ das Myzel, also die unterirdisch wachsenden Pilzfäden, regelrecht, erklärt Strathausen. Selbst wenn es dann mal regnet, reicht der Niederschlag oft nicht aus für die komplette Regeneration des Myzels. Die Fäden erholen sich nicht. Und: „Die Pilzsaison wird immer kürzer“, stellt Torsten Brilloff fest. Durch die langen, trockenen Sommer beginne die Hauptsaison der Pilze immer später im Herbst - zuletzt meist im Oktober. Mit dem bald darauf einsetzenden Nachtfrost verschlechterten sich wenig später die Bedingungen für das Wachstum wieder. Die Hauptsaison dauere so laut Brilloff teils nur noch zwei bis drei Wochen.

Auch die wärmeren Winter tragen zu schlechteren Wachstumsbedingungen bei, so Brilloff. In der oftmals nicht mehr so kalten Jahreszeit fällt seltener Schnee. Ist im Winter kein Schnee da, kann im Frühling keiner tauen. Das Ergebnis: Durch das Wegfallen des Schmelzwassers fehlt die für das Pilzwachstum notwendige Feuchtigkeit.
Neben steigenden Temperaturen sieht Pilzberater Brilloff aber auch noch einen weiteren Grund für die zuletzt bescheidenen Pilzjahre: den Borkenkäfer. Der befällt, unter anderem im Harz, zahlreiche Bäume, frisst sich in ihre Rinde und zerstört deren Bahnen für Nährstoff- und Wassertransport. Die Bäume sterben ab. Dadurch, so Brilloff, würden auch die Wachstumsbedingungen der Pilze deutlich schlechter. Ihnen fehlten die Symbiosepartner. In einem gesunden Ökosystem würden Pilze und Bäume in einer Art Gemeinschaft leben und sich bei der Aufnahme von Wasser und Nährstoffen gegenseitig unterstützen. Fällt einer der beiden Partner weg, wird das Überleben auch für den anderen schwieriger.
Tipps fürs Sammeln
Doch bei allen Problemen: Wer Pilze sucht, kann auch in diesem Jahr welche finden. Gibt es irgendwelche Geheimtipps, um Fliegenpilz und Co. zu vermeiden und stattdessen köstliche Speisepilze zu erwischen? Brilloff und Strathausen raten Anfängern, sich vor allem auf Röhrlinge zu konzentrieren, also die Pilze mit den Schwämmchen auf der Unterseite des Hutes. Die seien meistens genießbar. Und wer sich unsicher ist, kann immer noch den Experten einen Besuch abstatten. Die betonen: Beim Sammeln unbedingt darauf achten, den Pilz nicht abzuschneiden, sondern mitsamt Wurzeln aus dem Boden drehen. Viele Arten, darunter der hochgiftige Grüne Knollenblätterpilz, seien nämlich an ihrem Wurzelballen klar erkennbar.

Außerdem gilt: Gute Vorbereitung erleichtert Sammlern und Beratern die Arbeit. Die Pilzfreunde könnten so einige Sorten bereits selbst erkennen, erklärt Brilloff, und würden die Pilze nicht haufenweise in die Beraterstelle tragen. Dort erfolgt dann die Sortierung mit allen Sinnen. Klar, es liegt nahe, sich die Pilze anzusehen. Einige Arten sind jedoch vor allem durch Geruch oder Geschmack erkennbar.

Torsten Brilloff: Markt 16, Quedlinburg; Telefon: 0171 8210586; Klaus Strathausen: Neustädter Straße 4, Ballenstedt; Telefon: 039483 80863; Die Experten haben keine festen Sprechzeiten. Um Voranmeldung wird gebeten.
Experten aus dem Salzlandkreis finden Sie unter: https://www.salzlandkreis.de/sozialesgesundheit/pilzsachverstaendige/.