KommunalwahlKommunalwahl im Salzlandkreis: 50 geistig Behinderte auf Schloss Hoym dürfen erstmals wählen
Aschersleben - Der 26. Mai ist ein besonderer Tag für die rund 2.500 Menschen mit geistiger Behinderung in Sachsen-Anhalt, die dann zur Kommunalwahl erstmals mit abstimmen dürfen. Vergangenen Freitag hat der Landtag über die Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes ...
Der 26. Mai ist ein besonderer Tag für die rund 2.500 Menschen mit geistiger Behinderung in Sachsen-Anhalt, die dann zur Kommunalwahl erstmals mit abstimmen dürfen. Vergangenen Freitag hat der Landtag über die Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes abgestimmt.
Bisher waren Menschen mit geistiger Behinderung, die voll betreut werden, vom Wahlrecht ausgeschlossen. Auch im Salzlandkreis sind von der Regelung einige Menschen betroffen.
50 Bewohner im Schloss Hoym dürfen nach neuem Gesetz nun wählen
Im Schloss Hoym dürfen rund 50 der insgesamt 395 Bewohner nach dem neuen Gesetz wählen. „Die anderen durften auch vorher schon an Wahlen teilnehmen“, erklärt Geschäftsführer René Strutzberg. Teilweise hätten die Bewohner in der Vergangenheit von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. „Bei den meisten steht das allerdings nicht im Fokus“, sagt er.
Dass nun aber alle theoretisch wählen dürften, sei für ihn „fundamental“. Eine Demokratie lebe vom Wählen. „Dann aber bitte auch für alle“, bekräftigt Strutzberg. Auch die geistig Behinderten gehören mit zur Gesellschaft - so gebe es auch unter ihnen solche, die politisch interessiert seien und jene, die sich nicht interessieren.
Auch unter geistig Behinderten gebe es politisch Interessierte
„Diejenigen, die sich interessieren, stellen aber auch ganz konkrete Fragen: Wie schnell darf an unserer Einrichtung gefahren werden zum Beispiel“, erklärt der Geschäftsführer. Er könne die Kritik an der neuen Wahlrechtsregelung nur teilweise verstehen.
Die Gegner hatten befürchtet, dass behinderte Menschen bei ihrer Wahl manipuliert werden könnten. „Natürlich sprechen wir von Menschen, denen in allen Bereichen geholfen wird“, erklärt Strutzberg, doch seiner Ansicht nach könne jeder überall und immer manipuliert werden – dafür brauche es keine Vollbetreuung. „Dann dürfte es auch keine Briefwahl geben“, sagt er.
„Dann dürfte es auch keine Briefwahl geben“, sagt Geschäftsführer René Strutzberg
Aus seiner Sicht sei es hingegen wichtig, dass viele seiner Bewohner sich Möglichkeiten der elektronischen Stimmabgabe wünschen. „Die Medienkompetenz ist außergewöhnlich hoch“, erklärt er. Auch, wenn die Gesellschaft von echter Inklusion noch Lichtjahre entfernt sei – wählen zu können, wenn man möchte, das sei ein kleiner Teilbeitrag zur Inklusion.
Die Aufgabe der Betreuer im Schloss Hoym sehe er nun darin, den Bewohnern einen Rahmen zur Information zu bieten: Wlan-Zugang sowie Zugriff auf Medien. Für die Zukunft wünscht er sich eine Ausweitung des Wahlrechts auch auf Bundestags- und Europawahlen. „Die Kommunalwahlen sind aber ein erster wichtiger Schritt und betreffen ja auch das, was direkt vor Ort passiert.“
Wahlleiter Ralf Schneider: In Aschersleben ist niemand von Gesetzesänderung betroffen
Axinja Lundershausen von der Lebenshilfe Harzvorland sieht die Gesetzesänderung kritisch: Für einen Großteil der Betroffenen sei nur bedingt greifbar, was um sie herum geschieht. Zudem brauche es auch organisatorischen Aufwand, um die Betroffenen überhaupt zur Wahl begleiten zu können. Teilweise sei ein Betreuer für rund 100 Menschen zuständig. Wahlleiter Ralf Schneider teilte indes mit, dass es in Aschersleben gar keine Betroffenen gebe. (mz)
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Braucht ein Mensch eine Vollbetreuung, bedeutet dies, dass er in allen seinen Angelegenheiten eine Betreuung braucht. Wenn mit dem 18. Lebensjahr das Sorgerecht der Eltern endet, werden Angelegenheiten wie Gesundheit, Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden sowie Vermögensfragen selbstständig geregelt. Wer dazu nicht in der Lage ist, erhält einen rechtlichen Betreuer. Das kann ein Angehöriger sein oder berufliche oder ehrenamtliche Betreuer.