SV Lok Aschersleben Fußball-Landesklasse Sachsen-Anhalt : SV Lok Aschersleben - Mehr als ein Notnagel

Aschersleben - Die Ansprache von Enrico Hoyer ist prägnant. Nur zwei, vielleicht drei Minuten redet er auf sein Team ein, dann ist alles gesagt. Er schlägt dabei aber keinen Befehlston an. Hoyer ist ganz ruhig, was zum Teil an einer Erkältung liegt, hauptsächlich aber daran, dass es einfach seine Art ist.
Und das diese Art, für diese Mannschaft wahrscheinlich auch genau die richtige ist. Wenn man beobachtet und zuhört, wie Enrico Hoyer sein D-Jugendteam am Freitagabend auf das Pokalspiel am Samstagmorgen gegen die SG Rot-Weiß Alsleben/Peißen einstellt, dann bemerkt man, dass da jemand eine Art Berufung gefunden hat.
Nachwuchstrainer sein, ist mittlerweile Hoyers fußballerische Heimat. „Es macht unheimlich Spaß“, sagt er - und lächelt ein seliges Lächeln.
Den Untergang des Clubs miterlebt
Seit dem vergangenen Wochenende ist Enrico Hoyer aber auch wieder aktiver Fußballer. Der mittlerweile 42-Jährige hat sich dazu entschieden, beim Landesklasse-Team des SV Lok Aschersleben auszuhelfen.
Der Kader, den Trainer Torsten Göse zur Verfügung hat, ist klein. Das war er schon zu Saisonbeginn. Schon da war klar, wenn der Verein Pech hat, kann er ganz schnell personelle Probleme bekommen.
Hoyer hat sich daher schon im Sommer dazu bereit erklärt, im äußersten Notfall auszuhelfen. Als „allerletzter Notnagel“, wie er es nennt.
Als Lok vor vier Wochen beim SV 09 Staßfurt gastierte, traf diese Situation zum ersten Mal ein. Enrico Hoyer hielt sein Wort, half bei der 0:7-Niederlage gegen den Tabellenführer aus. Und es sollte nicht das letzte Mal bleiben.
Am vergangenen Wochenende stand er gegen Oschersleben erneut 90 Minuten auf dem Feld - und hat sich danach dazu bereit erklärt, auf Bitte des Vereins und von Trainer Göse, bis zum Winter auszuhelfen.
Der ehemalige Torjäger des 1. FC Aschersleben stellt sich in den Dienst seines Vereins, für den er seit vier Jahren als Nachwuchstrainer tätig ist. Und er macht das auch, weil er sich Sorgen um den Fußball in Aschersleben macht.
„Wenn man die ganze Entwicklung in der Stadt sieht, blutet einem schon das Herz“, sagt Enrico Hoyer. Als der Club vor über fünf Jahren unterging, war er Kapitän der Landesliga-Mannschaft.
Seine große Erfahrung will - und muss er auch ein Stück weit jetzt an das Team von Torsten Göse weitergeben. Der Trainer fand nach den beiden Spielen, in denen Hoyer mitgespielt hat, ausschließlich lobende Worte für seinen neuen Stürmer.
Hoyer hat auch mit 42 Jahren nicht viel von seinen früheren Qualitäten eingebüßt. Bälle sichern und festmachen, wieder auf die Mitspieler ablegen.
Enrico Hoyer ist mehr als ein Notnagel, er ist das, was Aschersleben bisher gefehlt hat: ein anspielbarer Stürmer. Zu oft war Michael Wendenburg im Angriff häufig auf sich alleine gestellt.
Aschersleben hat mit gerade einmal acht Toren in zehn Spielen die zweitschlechteste Offensive in der Landesklasse Staffel drei. Nur der SC Heudeber mit zwei Treffern ist schwächer. Und Heudeber ist auch das einzige Team, das in der Tabelle hinter dem SV Lok steht. „Es ist nichts anderes als Abstiegskampf“, sagt Enrico Hoyer deshalb.
Zukunftshoffnung Nachwuchs
Die Situation ist kritisch, der Rückstand auf das rettende Ufer beträgt vier Punkte. Für Hoyer ist die Lage aber nicht aussichtslos. „Die Mannschaft hat das Potenzial, die Klasse zu halten“, berichtet er, „aber es ist ein Kopfproblem, keiner hat Selbstvertrauen.“
Fünf Spiele hat der SV Lok jetzt noch bis zur Winterpause vor sich, dann sollen und müssen neue Spieler kommen. In den verbliebenen Spielen, gibt Enrico Hoyer vor, „gilt es über den Kampf zu kommen. Das Spielerische kommt dann von ganz alleine“.
Und wenn dann die Winterpause am 17. Dezember startet, ist das automatisch auch das Ende für Enrico Hoyers Aushilfe. „In der Rückrunde werde ich nur wieder als allerletzter Notnagel zur Verfügung stehen“, erklärt er.
Denn so gut wie er fußballerisch auch noch mithalten kann. Körperlich hat Hoyer in den vergangenen Jahren freilich abgebaut. „Die Spritzigkeit und Reaktionsschnelligkeit fehlt mit“, gesteht er und lacht: „Man sollte auch besser nicht fragen, wie der Tag nach den Spielen ausgesehen hat - ich bin nicht hochgekommen.“
Doch Enrico Hoyer stellt sich in den Dienst des Vereins - und er hat die Hoffnung, dass es in Zukunft wieder bergauf geht. Die er - passender könnte es nicht sein - mit dem Nachwuchs verbindet. „In der B-Jugend von Daniel Brunner sind einige Jungs drin, die den Sprung schaffen könnten“, sagt Hoyer. Und wer will ihm da widersprechen, mit dem Nachwuchs kennt er sich aus.
(mz)