Bäckerei Träger in Frose Bäckerei Träger in Frose: Rezepte mit Tradition seit 1927

Frose - Warum er Bäcker geworden ist? Sven Kattner muss herzhaft lachen: „Weil sie“, sagt er und nickt zu seiner Frau Frauke hinüber, „immer gesagt hat, sie heiratet nur einen Bäcker.“ Verheiratet sind die beiden nun schon seit Jahren und der studierte Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik ist tatsächlich Bäckermeister. In der Froser Bäckerei Träger, die die Familie seiner Frau jetzt seit 90 Jahren betreibt und die das Paar 2003 selbst übernommen hat.
Onkel und Tante ihres Opas hatten die Bäckerei 1927 gekauft, erzählt Frauke Kattner und blättert durch eine Chronik, die sie von ihrer Tante bekommen hat. „Da ist die ganze Geschichte drin“, zeigt sie auf alte Fotos der Ladeninhaber und deren Meisterbriefe. Die einstige Stellmacherei in der Neuen Straße war 1914 von der Familie Maue zu einer Backstube umgebaut und aus Altersgründen 13 Jahre später an August und Bertha Schneider - und damit an die Familie der Bäckersfrau - verkauft worden.
„Wir sind da reingewachsen“
Schneiders Eltern betrieben in Badeborn eine Zuckerbude auf dem Rummelplatz und pachteten später im gleichen Ort eine Bäckerei, wo auch ihr Sohn das Handwerk erlernte. Der übernahm mit seiner Frau Bertha die Pachtbäckerei seiner Eltern und stieß - als der Vertrag dafür auslief - auf das Objekt in Frose. Dorthin nahmen die Schneiders ihren Neffen Franz Träger mit, dem sie später, weil sie kinderlos blieben, ihre Bäckerei vermachten. Von ihm und seiner Frau Ida ging der Familienbetrieb 1966 weiter an Sohn Norbert, dem Vater von Frauke Kattner, die eine geborene Träger ist.
„Wir sind da reingewachsen“, sagt die 48-Jährige, die schon von klein auf in der Backstube mitgeholfen hat. So wie auch ihr Bruder Normen, der heute als Bäcker im Familienbetrieb mitarbeitet. Zwölf Angestellte - alles kreative, umgängliche Leute - haben sie. Und sogar ein Lehrling ist dabei. „Was selten ist heutzutage“, weiß Frauke Kattner, denn der frühe Arbeitsbeginn und die körperlich schwere Arbeit seien nichts für jeden.
„Man sieht, was man mit seinen Händen geschaffen hat“
„Es ist eine faszinierende Arbeit, etwas, wo man sieht, was man mit seinen Händen geschaffen hat“, findet Sven Kattner aber, der seine Meisterprüfung 2001 als bester Jungmeister im Gewerk der Bäcker bestanden hatte. Und das Erbe seiner Frau sehr zu schätzen weiß. „Wir backen hier noch nach den ganz alten Rezepten. Das ist genial“, findet der 50-Jährige. Die hatte die Familie schon aus Badeborn mitgebracht. „Damals hat niemand seine Rezepte verraten“, weiß Kattner und erinnert sich an Zeiten, wo es in Frose mal sieben Bäcker gab. „Da hat jeder seine Geheimnisse gehütet.“
Und so schmecken auch bei Trägers, wie das Geschäft noch immer heißt, Mohn- und Schokoladenkuchen, Sandkuchen und Stolle genauso wie vor 100 Jahren - auch wenn die Technik, mit der sie hergestellt werden, nun weitaus moderner und einfacher zu bedienen ist. „Das Rezeptbuch vom Opa haben wir noch“, bestätigt der Bäckermeister. Doch das allein nütze nichts. „Man muss auch die Tricks kennen, wie man das verarbeitet“, gesteht er. „Deshalb war es gut, dass wir noch eine ganze Weile mit meinen Eltern zusammengearbeitet haben, da haben wir uns viel angenommen“, findet Frauke Kattner.
Kundschaft kommt auch aus dem Harz
Über fehlende Kundschaft kann sich die Bäckerei deshalb nicht beklagen. Im Gegenteil, seit das Geschäft keine Mittagspause mehr macht und durchgängig geöffnet ist, sind es noch weitaus mehr geworden. „Sie kommen sogar aus dem Harz“, so die Inhaberin und nennt als Beispiele Blankenburg, Neinstedt, Gernrode, Rieder und Quedlinburg. Aus der Region kommen übrigens auch die Zutaten für all die Kuchen, das Brot und die Brötchen - darauf legt das Bäcker-Paar Wert. „Die Erdbeeren, Äpfel oder Pflaumen sind von hier“, so Frauke Kattner. „Die Eier aus Welbsleben und das Mehl aus Meisdorf“, ergänzt ihr Mann Sven mit Blick aus dem Fenster, wo gerade die 50-Kilo-Mehlsäcke angeliefert werden. Die kommen aus der Wassermühle Bischof. „Das ist alles noch ohne Mehl-Chemie“, sagt der 50-Jährige, der das Mehl nicht nur selbst verarbeitet, sondern auch in kleinen Tüten direkt an die Kundschaft verkauft.
Verarbeitet wird es aber auch in dem berühmten Honigkuchen, dessen Teig die Bäckersfrau schon als Kind zum Naschen mit in die Schule brachte. „Wir haben da ein richtig geniales Familienrezept - das ist über 100 Jahre alt“, lüftet der Meister nun das Geheimnis: „Ein Liter Wasser, ein Kilo Honig, ein Kilo Zucker erwärmen, bis sich alles auflöst. Kalt werden lassen. Dann das Mehl darunterkneten. Dazu Hirschhornsalz und Pottasche.“
Dass sie das Rezept vielleicht nicht weitervererben können, macht sie ein bisschen traurig. „Wir haben noch keinen Nachfolger, aber wir hoffen noch, dass mal einer das Geschäft von uns übernimmt.“
(mz)