Askania Bernburg Askania Bernburg: Michael Schmidt resümiert im Interview über seine Zeit als Kapitän

Bernburg - Nachdem er sämtliche Nachwuchsmannschaften des Vereins durchlief, spielt er inzwischen 14 Jahre lang für die erste Vertretung des TV Askania Bernburg. Seit 2006 führt er das Team zudem als Kapitän an, stets die Nummer zehn auf dem Rücken. In dieser Zeit gelang den Saalestädtern der Aufstieg von der Landes- in die Oberliga. Logisch, dass so etwas Identifikation schafft. Keiner verkörperte den TVA in den vergangenen Jahren so sehr wie er. Er, das ist Michael Schmidt, der dieser Ära nun ein Ende gesetzt hat. Das Saisonabschlussspiel gegen den VFC Plauen (1:3) vor anderthalb Wochen soll sein endgültig letzter Auftritt für den Oberligisten gewesen sein. MZ-Redakteur Erik Schmidt unterhielt sich mit dem 31-Jährigen über eine lange, intensive Zeit.
Herr Schmidt, direkt nach der Plauen-Partie ging es für ein paar Tage in den Urlaub. Wie oft haben Sie dabei noch an den fast verwandelten Freistoß kurz vor Ihrer Auswechslung gedacht?
Schmidt: Ich möchte diese Partie nicht von einer Szene abhängig machen. Das Spiel bleibt insgesamt in schöner Erinnerung, auch wenn ich es trotzdem mit einem weinenden Auge sehen muss. Denn wir hätten mit einem Sieg noch ein paar Plätze in der Tabelle gutmachen können. Und das, nachdem wir in der Winterpause bereits totgesagt wurden.
Einen Treffer hätten Sie doch aber sicherlich trotzdem noch einmal gern mitgenommen oder etwa nicht?
Schmidt: Auf jeden Fall. Immerhin war die zu Ende gegangene Saison meine erste ohne eigenes Tor. Ich dachte eigentlich, dass es mir irgendwie noch gelingt. Und wenn es dafür eines Elfmeters bedurft hätte. Aber ich bin trotzdem zufrieden, schließlich habe ich 28 von 30 Begegnungen absolviert, zahlreiche Vorlagen gegeben und das obwohl vor der Spielzeit nur eine Art Standby-Rolle angedacht war. Ich denke, dass ich auf jeden Fall noch mithalten konnte.
In der 78. Minute wurden Sie dann vom Feld gerufen, womit fast 14 Jahre in der ersten Vertretung des TVA ein Ende fanden. Sie ließen sich anschließend etwas abseits der Auswechselbank nieder. Was ging Ihnen in diesen Momenten durch den Kopf?
Schmidt: Es kam alles hoch, was ich auf diesem Platz erlebt habe. Das musste ich erst einmal sacken lassen. Ohnehin war das gesamte Spiel eine sehr emotionale Sache. Schließlich waren eine Menge Freunde sowie meine Eltern vor Ort, die in den letzten Jahren viel auf mich verzichten mussten. Auch der Abschied von der Mannschaft fällt nicht leicht, denn wir hatten immer eine gute Truppe. Künftig nicht mehr mit den Jungs rauszugehen, um alles zu geben, schmerzt am meisten. Besonders hart war es, meine Sachen in der Kabine, wo ich stets an der gleichen Stelle saß, zusammenzupacken.
Das klingt auch ein bisschen nach Wehmut. Warum haben Sie sich dennoch zu diesem Schritt entschlossen?
Schmidt: Tatsächlich hätte ich schon ganz gern weitergemacht. Immerhin fühle ich mich körperlich absolut in der Lage dazu. Allerdings haben unser kommender Trainer (Lucian Mihu, Anm. d. Red.) und ich unterschiedliche Vorstellungen was Trainingsgestaltung und Menschenführung betrifft. Trotzdem wünsche ich ihm nur das Beste, weil er ein guter Typ ist. Außerdem stand es bereits vor einem Jahr zur Debatte, Schluss zu machen. Damals hat mich Thomas Diedrich vom Gegenteil überzeugt. Wie ich finde, war das die richtige Entscheidung. Doch nun ist es wahrscheinlich schon besser, kürzer zu treten. Denn zum einen ist mein Job sehr zeitintensiv und zum anderen mein Körper auch in die Jahre gekommen.
Höhe- und Tiefpunkte beim TVA
Das Kapitel „Erste Herren“ beim TVA ist demnach Geschichte für Sie, was bleibt besonders hängen?
Schmidt: Natürlich die beiden Aufstiege, in deren Folge wir uns eigentlich recht schnell etabliert haben, sofern man das erste Oberliga-Jahr ausklammert. Ansonsten natürlich die Menschen, wie meine Trainer, zu denen ich stets ein enges Verhältnis hatte. Aber auch die Vereinsführung, sei es Andreas Schulze, Max-Martin Schulze und allen voran Michael Angermann, der für mich wie ein Ziehvater war. Sie haben mich immer unterstützt, vor allem auch während meiner schweren Studienzeit. Wir haben uns gegenseitig immer die Treue gehalten.
Apropos Treue: Stellte sich nie zuvor die Frage, den TVA zu verlassen?
Schmidt: Genau genommen war ich ja mal kurz weg. Nach meinem ersten Jahr im Männerbereich wechselte ich zum Halleschen FC, wo ich im Anschlusskader der ersten Mannschaft stand. Dann jedoch erlitt ich eine schwerwiegendere Verletzung, die meine Ambitionen bremste. Eine andere große Gelegenheit ergab sich 2012, nachdem ich im Jahr zuvor mit der Martin-Luther-Universität in Istanbul Hochschul-Europameister geworden bin, was übrigens den persönlichen Höhepunkt meiner Laufbahn darstellt. Als wir wenig später in einem Testspiel gegen RB Leipzig spielten, trat ich mit jeder Menge Selbstvertrauen auf. Leipzigs Trainer Peter Pacult wollte mich direkt mitnehmen. Doch er wurde kurz darauf durch Ralf Rangnick ersetzt, für den ich mit 27 Jahren bereits zu alt war. Das wäre eine spannende Herausforderung gewesen.
„Michael hat immer eine positive Rolle bei uns gespielt. Die langjährige Zusammenarbeit war für beide Seiten ein absoluter Gewinn, denn der Verein hat ihn immer versucht zu unterstützen und etwas zurückzugeben. Zwar ist es sehr schade, dass er aufhört, aber ich kann seine Entscheidung verstehen. Die Belastung in der Oberliga ist extrem hoch. Nun hoffe ich aber natürlich, dass er dem Verein trotzdem weiterhin in irgendeiner Funktion erhalten bleibt.“
„Ich bin sehr froh, dass ich mit Micha zusammen spielen durfte. Zum einen weil er ein super Fußballer ist. Zum anderen - und das ist der noch wichtigere Teil - weil er einen tollen Charakter besitzt. Vor allem letzteres hat unsere gemeinsame Zeit zu einer sehr schönen gemacht.“
„Auch für mich war die Verabschiedung sehr emotional, denn Michael war nicht nur vier Jahre lang ein ruhiger, sachlicher und sehr beliebter Kapitän meiner Mannschaft, sondern wir pflegen auch ein freundschaftliches Verhältnis. Jedoch denke ich, dass es für ihn der richtige Zeitpunkt war, um aufzuhören. Schließlich hat er mit dem Team alles erreicht. Er soll nun positiv in die Zukunft blicken - Fußball ist eine schöne Nebensache, aber eben nicht alles. Beruf und Gesundheit gehen da definitiv vor. Vielleicht können wir schon bald gemeinsam Spiele von Askania aus einer ganz entspannten Position heraus verfolgen.“
Gab es denn während der ganzen Jahre auch den einen oder anderen Tiefpunkt?
Schmidt: Da ist allen voran das erste Oberliga-Jahr zu nennen. Es war eine absolute Katastrophe. In den Spielzeiten zuvor waren wir immer oben dabei und plötzlich steckst du unten drin. Das war ganz seltsam. Wir haben so viele unnötige Spiele verloren, aber auch einiges gelernt, was wir in diesem Jahr besser gemacht haben. Insgesamt ist der Abstiegskampf aber ein unerklärliches Phänomen, gegen das du dich nicht wehren kannst. Nur gut, dass wir unsere zweite Chance genutzt haben.
Ist denn der TV Askania Bernburg als Elfter in der Oberliga auf seinem Höhepunkt angekommen?
Schmidt: Die Entwicklung ist fast wie ein Märchen. Als ich anfing, standen wir auf einer Stufe mit Alsleben und Nienburg. Mittlerweile gibt es in der Region nichts Vergleichbares mehr. Dafür können sich die Verantwortlichen nur auf die Schulter klopfen. Ich bin stolz, ein Teil von dem Ganzen gewesen zu sein. Aber man sollte realistisch bleiben. Auch wenn die Oberliga keinen besonders hohen Stellenwert genießt, finde ich sie für Askania optimal.
Warum das? Der Zuschauerschnitt spricht nicht gerade für diese Spielklasse.
Schmidt: Das ist in der Tat schade. Es gibt keine wirkliche Fankultur. Allerdings finde ich unseren neu gegründeten Fanclub super. Vielleicht kann sich daraus etwas entwickeln. Dazu braucht es aber auch Spieler aus der Region, die das Trikot mit Stolz tragen und mit denen sich die Zuschauer identifizieren können. Ansonsten sind natürlich Duelle wie das gegen Lok Leipzig Lohn für die ganze Arbeit. Es ist großartig, dass der Verein sich das alles aufgeladen hat und uns so eine Partie ermöglichte. Auch wenn die Sachsen aufgestiegen sind, wird es weiterhin interessante Spiele geben. Speziell gegen die anderen fünf Vereine aus unserem Bundesland. Ich finde es sehr gut, dass es diese Derbys gibt.
Sie sprachen von „kürzer treten“, was nicht gleichbedeutend mit „die Schuhe endgültig an den Nagel hängen“ ist. Wo werden Sie denn in der kommenden Spielzeit aktiv sein?
Schmidt: Nein, so ganz kann ich es noch nicht lassen. Aber ich werde ruhiger machen, wobei ich mich kenne: Das wird schwer. Schon länger gibt es den Plan, künftig bei unserer dritten Mannschaft mitzuspielen. Aber vielleicht ist der Sprung von der Ober- in die Kreisliga zu krass. Möglicherweise wäre ein Zwischenschritt sinnvoll. Eine definitive Entscheidung ist aber noch nicht gefallen. Es bieten sich auch noch zwei, drei andere interessante Sachen. Wichtig ist, dass ich mich in einer Mannschaft wohl fühle. Askania bleibt aber so oder so immer mein Herzensverein. (mz)
