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Wetter aus dem Rechner Wetter: Messstationen werden immer weniger - die Vorhersagen aber besser

Von Steffen Könau 16.12.2018, 12:10
Auf Smartphones gehören Wetter-Apps zu dem meistverwendeten Anwendungen - doch der Glaube, dass die kleinen Helfer allwissend sind, täuscht gewaltig: Die Algorithmen dahinter arbeiten auch nur mit Wahrscheinlichkeiten .
Auf Smartphones gehören Wetter-Apps zu dem meistverwendeten Anwendungen - doch der Glaube, dass die kleinen Helfer allwissend sind, täuscht gewaltig: Die Algorithmen dahinter arbeiten auch nur mit Wahrscheinlichkeiten . dpa

Halle (Saale) - Die letzte schloss schon vor Jahren, unspektakulär, ja, sogar völlig unbemerkt. Nach 164 Jahren, in denen stets eine, meist aber zahlreiche Beobachtungsstationen das Wetter in Sachsen-Anhalts größter Stadt gemessen, protokolliert und weitergemeldet hatten, war im März 2015 Schluss. In Kröllwitz beendete der Deutsche Wetterdienst ein Kapitel Klimabeobachtung, das er noch zehn Jahren zuvor mit zehn Stationen betrieben hatte.

Wegen „Liegenschaftsproblemen“, so DWD-Sprecher Gerhard Lux, „musste die Station Halle-Kröllwitz 2015 aufgegeben werden.“ Geblieben ist seitdem nur eine Niederschlagsmessstelle in Döllnitz. Und seit August 2017 existiert eine Wetterstation des Typs III in Bad Lauchstädt, die die Lufttemperatur, Luftfeuchte, Niederschlag, Sonnenscheindauer und Wind in Echtzeit meldet.

Deutscher Wetterdienst hat in Halle keine Messstation mehr

Über direkte Klimadaten aus der Stadt aber verfügt die Bundesoberbehörde mit Sitz in Offenbach am Main nicht mehr - dabei unterhält der DWD in Deutschland nach wie vor rund 2000 Messstellen und damit eines der weltweit dichtesten Messnetze.

Eigentlich aber sind Wetterbeobachtungen und Wettervorhersage heute mehr Mathematik als Meteorologie: „Es ist möglich und längst Routine, durch Interpolation zwischen mehreren Messstellen Aussagen zu den Ortschaften zu treffen, in denen keine Messstelle steht“, erklärt Gerhard Lux. Vorausgesetzt, die Stationen genügen den internationalen Regularien und sie sind für ihren Bereich repräsentativ, lässt sich das Wetter berechnen, wo es nicht direkt beobachtet und gemessen werden kann.

Deutscher Wetterdienst berechnet das Wetter mit Millionen Daten

Das ist an den meisten Orten der Fall, denn für den Deutsche Wetterdienst ist nicht nur wichtig, was auf der Erde geschieht, sondern auch, was bis in 75 Kilometer Höhe passiert. 256 Millionen Knotenpunkte bezieht der Supercomputer des DWD in seine Berechnungen ein, ein Strom an Daten und Berechnungen, bei dem 100 Billiarden Rechenoperationen pro Sekunde nötig sind, um den Überblick zu behalten.

Was davon auf den Wetter-Apps ankommt, die mittlerweile Millionen Deutsche auf ihren Smartphones haben, ist noch einmal etwas ganz anderes. „Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass aktuelle Daten immer gemessene Daten sind“, beschreibt Lux. Meist seien es abgeleitete und prognostizierte Werte für den Kurzbereich, die sich die Anbieter aus des Datenbanken des DWD holten.

Wetter-Apps holen sich ihre Daten aus unterschiedlichen Quellen

Nicht alle tun das gleich oft, nicht alle werten die empfangenen Daten dann auf dieselbe Weise aus. US-Apps wie AccuWeather oder Dark Sky arbeiten mit dem amerikanischen Wettermodell Global Forecast System (GFS), europäische Wettbewerber wie Wetter Online, Morecast, WeatherPro oder Pflotsch und die norwegische Yr dagegen nach dem europäischen (ECMWF) oder deutschen Wettermodell (ICON).

Der Unterschied ist wichtig, aber mindestens ebenso bedeutsam ist die Mischung aus berücksichtigter Datenmenge und behaupteter Vorhersagegenauigkeit. Durch immer höhere Rechenleistungen lassen sich mittlerweile Vorhersagen für bis zu fünf oder sechs Tage machen. Dazu werden aktuelle Daten mit historischen Erfahrungswerten ins Verhältnis gesetzt, um so zu wahrscheinlichen Ergebnissen zu kommen.

Doch wenn eine App dann vorgibt, zu wissen, dass es in drei oder fünf Tagen regnen wird, heißt das noch lange nicht, dass es wirklich so kommt. Vielmehr gilt: Je länger der Zeithorizont, desto schwieriger ist eine regional wirklich präzise Vorhersage.

Wetter-Apps wagen 5-Tages-Prognosen - doch das sind nur Trends

Eine gute Wetter-App zeigt über einen längeren Zeitraum deshalb nur Trends an – stundengenaue Prognosen wirken zwar unheimlich kompetent, sind aber das ganze Gegenteil dessen, was sie vorgeben zu sein. Eine Vorhersage wie „60 Prozent Regenwahrscheinlichkeit in drei Tagen“ heißt einerseits, dass es in fast der Hälfte der Tage nicht regnen wird. Und andererseits, dass es in der anderen Hälfte gut möglich ist, dass nur ein paar Tropfen fallen.

Auch im Nahbereich des lokalen Wetters sind Vorhersagen von Apps naturgemäß im Nachteil gegenüber direkten Beobachtungen, wie Großeltern und Urgroßeltern sie noch anstellen mussten. Dunkle Wolken vor dem Fenster künden von hoher Regenwahrscheinlichkeit und fallender Schnee deutet nachdrücklicher auf Frostgefahr hin als die noch aufwendig nachberechneten, gewichteten und durch Klimamodelle gejagten Daten einer Messstelle in 25 Kilometern Entfernung.

Die der letzten DWD-Wetterwarte in Bad Lauchstädt können sich Smartphone-Besitzer allerdings mit der WarnWetter-App des DWD auf ihr Handy holen - im Ernstfall ist auf dieser App alles echt.

(mz)